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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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Sägespänen hinter dem Ladentisch, während er mit einem Glas Whisky hinaufging und sich oben am warmen Feuer zur Ruhe legte. Ich wäre am liebsten weggelaufen, aber er hatte mir solche Angst eingejagt, dass ich nicht mehr frei denken konnte. So ertrug ich die Prügel, die er mit seiner Zunge und seinem Gürtel austeilte, aber in mir brodelte es wie in einem Vulkan, der jeden Moment ausbrechen kann.
    Und dann kam Jeremiah Ratchet. Mein Vater sah in ihm einen Gesinnungsgenossen, nämlich einen, der genauso unersättlich war in seiner hemmungslosen Gier nach Geld. Oft saßen die beiden im Zimmer über dem Laden am Feuer und tranken Bier und Schnaps bis in die frühen Morgenstunden, während ich jede ihrer Launen zu ertragen hatte.
    »Gieß uns no-noch mal ein, Horatio«, spottete Jeremiah, und die beiden schütteten sich aus vor Lachen. Oder er sagte: »Wie war das, Horatio, was kostet euer Lammfleisch noch mal?«
    »Zwölf P-Pennys das Pf-Pfund.«
    Eines Tages kam Jeremiah lachend in den Laden. »Ich sehe, Ihr habt da etwas ganz Neues im Angebot«, sagte er und zeigte auf ein Schild im Schaufenster – ein Schild, das ich geschrieben hatte. Zu meiner Schande stand darauf:
    ›Kinderhack-Pastehten – drei Pence.‹
    »Kinderhack-Pasteten?«, blaffte mein Vater und griff mit zornrotem Gesicht nach einem toten Huhn.
    In dieser Nacht begriff ich, dass es für mich nichts zu verlieren gab. Meine Zeit war gekommen. Rache soll man mitkaltem Herzen ausführen, heißt es. Ich tischte sie heiß und dampfend auf.
    Am nächsten Abend setzte sich mein Vater wie gewöhnlich vor ein herzhaftes Gericht aus Kartoffeln mit Fleischpastete, eine Eigenkreation von mir, und wie so oft gesellte sich Jeremiah zu ihm. Die beiden Männer am Tisch sitzen zu sehen war in höchstem Maße abstoßend. Sie fraßen, als hätten sie nur noch Stunden zu leben. Kaum war der eine Bissen verschlungen, wurde der nächste in den Mund gestopft. Fett triefte ihnen übers Kinn, Krümel hingen an ihren verschmierten Wangen und ihre Servietten waren bekleckert.
    Ich sah ihnen gleichzeitig fasziniert und angewidert zu, wie sie ihr Essen in sich hineinschaufelten. Denn an diesem Abend hatten sie eine ganz besondere Pastete gegessen: Kleintier-Allerlei!
    Am nächsten Morgen weckten mich Schmerzensschreie, die aus dem oberen Zimmer kamen. Ich fand meinen Vater stöhnend und zusammengekrümmt auf dem Bett liegen. Sein Gesicht war von eitrigen Furunkeln übersät, Schweiß rann ihm von der Stirn und sein Atem ging schwer und stoßweise. Er umschlang krampfhaft seinen Bauch und schrie immer wieder qualvoll auf. Ich rief Dr. Mouldered, aber schon als er kam, war uns klar, dass mein Vater dem Tode nahe war.
    Mouldered schien überrascht. »Nun, ich nehme zwar an, dass es sich um ein Herzversagen handelt, was mich aber etwas irritiert, sind die Furunkel. Wie sonderbar. Ist Mr Cleaver vielleicht von einer Ratte gebissen worden?«
    Ich spürte, wie mein Gesicht glühte und mein Herz raste.Woran er auch gestorben sein mochte, ein Rattenbiss war es ganz sicher nicht, eher ein Rattenimbiss. Wahrscheinlich von der Ratte, die ich ihm am Abend zuvor in der Pastete aufgetischt hatte. Vielleicht war es auch die eine oder andere meiner Zutaten. Das Rezept war einfach: Was tot war, wurde hineingemischt, Haare, Fell, Krallen, Pfoten, alles. Eine fein zerhackte Maus war dabei, zwei Handvoll hart gepanzerte Käfer, dicke Schmeißfliegen und dunkelrote, saftige Würmer. Nicht zu vergessen die Kröte, die ich, von einem Wagenrad zerquetscht, auf der Straße gefunden hatte.
    Einen Tag und eine Nacht lang beobachtete ich meinen Vater, und während er sich vor Schmerzen wand, machte ich mir bittere Vorwürfe. Ich hatte ihn ja nur bestrafen wollen. Seinen Tod hatte ich nicht gewollt.
    Aber er starb.
    Er tat seinen letzten Atemzug, während ich vor ihm stand. Und was fühlte ich? Alles: Reue, Schuld, Zorn – und Erleichterung. Ich schloss ihm die Augen, deckte ihn zu und holte Dr. Mouldered.
    »Herzversagen«, bemerkte er ungerührt, ohne auch nur seine Tasche zu öffnen. Und schon war er wieder weg.
    Die Leute im Dorf beklagten seinen Tod natürlich.
    »Was sollen wir ohne Stanton anfangen?«, jammerten sie. »Wer wird uns jetzt im Wettbewerb der Grafschaft vertreten?«
    »Ich könnt’s ja versuchen«, hatte ich einmal gesagt, da musterten sie mich nur, als wäre ich ein Knorpelstück in einer billigen Pastete.
    Mein Leben hätte nun, ohne meinen Vater, eine Wendungzum Besseren nehmen

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