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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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Jagd nach frischem Fleisch. Menschenfleisch.«
    »Und das mischt er in seine Pasteten«, ergänzte der mittlere Bruder. Der jüngste fing an zu weinen.
    Die drei standen vor dem Fenster der Fleischerei und sahen zu, wie Horatio Cleaver seine Messer wetzte. Mit wohligem Gruseln lauschten sie dem schabenden Geräusch der Klingen auf Metall und beobachteten die Funken, die um den Kopf des Fleischers flogen.
    »Wenn ihr das wisst«, sagte der Jüngste zitternd, »warum sitzt er dann nicht im Gefängnis bei den anderen Mördern?«
    Seine Brüder hatten nur Spott für ihn übrig.
    »Es gibt keinen Beweis, du Dummkopf. Ohne Beweis kann man einen Menschen nicht ins Gefängnis stecken.«
    »Der Beweis steckt doch in den Pasteten«, sagte der andere. »Und wenn der Mord entdeckt wird, ist es zu spät.«
    »Eben! Weil die Leichen dann nämlich aufgegessen sind!«, riefen beide gemeinsam.
    Sobald Horatio Cleaver, der Gegenstand dieser Verleumdungen, ihre feuchten Nasen an seiner Scheibe sah, brüllte er die Jungen an, rannte zur Tür und schwenkte seine Messer.
    »Geht bloß mit euren Ro-Rotznasen von meiner Sch-Scheibe weg!«, rief er.
    Schreiend und lachend rannte das Trio davon und stolperte und rutschte mit wild rudernden Armen den vereisten Hang hinunter.
    Ludlow und Joe kamen zur Fleischerei, als die Sourdough-Jungen gerade in der Ferne verschwanden. Horatio stand noch mit geballten Fäusten unter seiner Ladentür, als er auf sie aufmerksam wurde. Ein wunderlicher Anblick waren diese beiden Fremden. Joe überragte alle anderen Leute hier, und das nicht nur wegen seiner ungewöhnlichen Körpergröße. Trotz seines Humpelns lag in seinem Gang eine Selbstsicherheit, die entwaffnend und beneidenswert war. Nicht einmal Leute, die schon ihr Leben lang im Dorf wohnten, bewegten sich auf dem abschüssigen, fast ständig vereisten Hang so mühelos. Ludlow, der Joe höchstens bis zum Ellbogen reichte, war immer ein paar Schritte zurück und musste fast rennen, um hinter ihm herzukommen.
    Schnell ging Horatio wieder in seinen Laden und stellte sich hinter den Tresen. Joe blieb eine Weile vor dem Fenster stehen und betrachtete die Waren des Fleischers. Im Angebot waren an diesem Tag: Schweinefleischpastehten , außerdem Fassanenprust , beste Lammklotetts und Ganse Hünchen . Horatio hatte nicht oft eine Schule von innen gesehen.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Joe und ging hinein, während Ludlow draußen wartete.

    Horatio Cleaver war bei Weitem nicht der beste Metzger, aber da er der einzige im Dorf war, mussten die Leute mit ihm vorliebnehmen. Sein Vater, Stanton Cleaver, war wegen seiner Fleischerkunst weit und breit bekannt gewesen, und seine Kunden hatten ihn noch in liebevoller Erinnerung. Er konnte eine ganze Kuh in weniger als drei Minuten schlachten und zerlegen, vom Kopf bis zum Schwanz, eine Meisterleistung, die er unter stürmischem Beifall alljährlich auf dem Markt der Grafschaft vorgeführt hatte. Wer würde diesen Anblick je vergessen: Stanton in seiner weißen, blutgetränkten Schürze, die Hände rot verschmiert, wie er unter ohrenbetäubendem Jubel den Fleischer-Pokal schwang?
    Horatio konnte ihn gewiss nicht vergessen, denn zu seinem Leidwesen würde er den Platz des Vaters wohl nie ausfüllen. Daran wurde er jeden Tag erinnert, wenn er die missbilligenden Seufzer seiner Kunden zu hören bekam und ihr »Tztztz«, wenn er mit ihren Bratenstücken und Koteletts kämpfte. Doch immer nahmen sie das grob zerlegte Fleisch, das er ihnen gab, denn wenn sie auch mehr bekamen, als sie verlangt hatten, so bezahlten sie ganz sicher weniger, als es wert war. Horatio war nie gut im Rechnen gewesen, und der komplizierte Bezug zwischen Gewicht und Preis war etwas, das er noch nie recht hatte begreifen können.
    Und waren es nicht die Kunden, die ihm verächtliche Blicke zuwarfen, so war es Stanton selbst, denn hinter dem Ladentisch befand sich ein Wandgemälde, ein lebensgroßes Porträt des Vaters mit allem, was zu ihm gehörte: Knochenmesser in der Hand, spöttisches Grinsen im Gesicht. Ständig spürte Horatio den bohrenden Blick in seinem Rücken, er wurde schnell nervös und geriet leicht ins Stottern – ein Vermächtnis aus der Zeit, als er unter seinem Vater gearbeitet hatte. Er stotterte aber nur, wenn er ganz besonders nervös war oder wenn man ihn reizte.
    Stanton war ein Mann gewesen, den man nicht so leicht vergessen konnte. Fast fünf Jahre war er nun schon tot, doch sein Einfluss reichte weit über das Grab

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