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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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Die Fenster waren klein, mit bleiverglasten Scheiben, und an den Außenmauern verliefen parallel zueinander dunkle Balken. Die Mauern zeigten sonderbare, sogar bedenkliche Neigungen, weil jedes Gebäude im Lauf der Jahre leicht abwärtsgerutscht und allmählich immer tiefer ins Erdreich gesunken war. Wäre auch nur ein einziges eingestürzt, hätte es zweifellos alle anderen mit sich gerissen.
    Das Dorf wurde überragt von einer Kirche, einem uralten Gebäude, das in jenen Tagen hauptsächlich dann aufgesucht wurde, wenn jemand geboren oder gestorben war. Der Eintritt ins Leben und der Austritt aus demselben galten als besondere Anlässe. Für das dazwischenliegende Dasein hielten die meisten der Dorfbewohner einen regelmäßigen Kirchgang jedoch für verzichtbar. Alles in allem war das Pfarrer Stirling Oliphaunt nur recht. Er suchte seine Herde nicht auf; ihm war es lieber, wenn sie zu ihm kam. Der Berghang war ja auch ungewöhnlich steil.
    Dennoch und trotz des tiefen Schnees drängte sich bereits am Vormittag eine kleine Menschenmenge vor Ludlows neuem Zuhause. Noch ehe die Sonne ganz hinter den Wolken hervorgekrochen war, ging das Gerücht um, im Hutladen habe sich ein neuer Inhaber niedergelassen. Keuchend und schnaufend stiegen die Dorfbewohner einer nach dem anderen den Berg hinauf, um sich selbst zu überzeugen. Die trüben Fensterscheiben waren jetzt sauber und klar, wenn auch die Sachen im Schaufenster wegen der unterschiedlichen Dicke des Glases leicht verzerrt wirkten. Neugierig drückten die Leute ihre Gesichter an die Scheiben, um zu sehen, was hier angeboten wurde.
    »Ist es ein Trödelladen?«, fragte ein Mann. Eine verständliche Frage, denn bis auf die Ess-und Trinksachen war der gesamte Inhalt aus Joes Ranzen mit Preisschildern versehen im Fenster ausgestellt. Das Holzbein lehnte in der Ecke, aber in diesem Fall gab es keinen Hinweis darauf, was es kostete.
    »Hier gibt’s Tiere«, meinte ein anderer.
    Deutlich war Joes Frosch zu erkennen, er saß in seinem Glasbehälter auf dem Ladentisch. Bei Tageslicht war sein Anblick noch ungewöhnlicher: Auf seiner Haut glänzte ein Muster in kräftigen Rot-, Grün-und Gelbtönen. Er glich kein bisschen den Fröschen, die in den trüben Tümpeln von Pagus Parvus lebten. Seine Füße waren nicht mit Schwimmhäuten versehen, sondern erinnerten eher an langgliedrige Hände mit knotigen Gelenken, die das Schwimmen erschweren mussten.
    Wie auf ein Stichwort erschien Joes Gesicht am Fenster. Er hatte ein Schild in der Hand, das er nun sorgfältig vor die ausgestellten Waren legte. Darauf stand:
    Joe Zabbidou – Pfandleiher
    Die Dorfbewohner nickten einander zu, nicht unbedingt beifällig, eher wie um zu sagen: »Hab ich doch gleich gesagt« – auch wenn sie gar nichts dergleichen geäußert hatten. Dann erschien Joe mit einer Leiter, die er von außen gegen die Wand über der Tür lehnte. Geschickt stieg er hinauf und entfernte das alte hutförmige Schild von der Stange. Stattdessen befestigte er das allgemein gebräuchliche Symbol der Pfandleiher daran: drei im Dreieck angeordnete goldene Kugeln. Sie schwangen träge an der Kette und glitzerten in der Wintersonne.
    »Ist der Frosch zu verkaufen?«, fragte jemand.
    »Leider nicht«, sagte Joe ernst. »Er ist mein Gefährte.«
    Diese Bemerkung erheiterte die Menge sichtlich, und ihr Gekicher ließ eine Atemwolke über ihre Köpfe wehen.
    »Was kostet das Bein?«, fragte einer. Joe schmunzelte, stiegmit erstaunlicher Geschicklichkeit von der Leiter und blieb vor der Menge stehen.
    »Ah ja«, rief er. »Das Bein. Nun, dazu gibt es eine Sage.«
    »Eine Waage? Zu dem Bein einfach so dazu?«, fragte ein Junge, der weniger für seine Geistesblitze als für seine Neugier bekannt war. Seine beiden Brüder neben ihm kicherten.
    »Eine Sage, allerdings«, antwortete Joe. »Doch die erzähle ich ein andermal.«
    Mit hörbaren Seufzern zeigten die Leute ihre Enttäuschung, aber schon räusperte sich Joe und hob die Hand.
    »Meine Damen und Herren, mein Name ist Joe Zabbidou«, verkündete er, wobei er das J so weich aussprach, dass es eher wie Sch klang. »Ich bin gekommen, um euch zu helfen. Ich arbeite unter dem Zeichen der drei goldenen Kugeln, weil ich Pfandleiher bin, ein ehrbarer Beruf seit Jahrhunderten, der, glaube ich, in Italien seine Wurzeln hat. Ich gebe euch mein Wort« – an dieser Stelle legte er die rechte Hand aufs Herz und richtete den Blick himmelwärts –, »ich gebe euch mein Wort, dass ich einen guten

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