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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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überhaupt, du dämliche Arschgeige?
    Der einweisende Arzt notierte als vorläufige Diagnose Alzheimerkrankheit, eine Diagnose, die aber mittels verschiedener Untersuchungen erst noch erhärtet werden müsse, und die Sozialarbeiterin setzte sich ans Telefon, um sich Anschrift und Telefonnummer einer Althea Burnside, gegenwärtig wohnhaft in Blair, geben zu lassen. Die Telefonauskunft fand keine Teilnehmerin dieses Namens in Blair – und auch niemanden in Ettrick, Cochrane, Fountain City, Sparta, Onalaska, Arden, La Riviere oder irgendeiner anderen Stadt oder Großstadt im Umkreis von fünfzig Meilen. Die Sozialarbeiterin warf ihr Netz daraufhin weiter aus und forderte vom Grundbuchamt, der Sozialversicherung, der Führerscheinstelle und der Steuerbehörde Informationen über Althea und Charles Burnside an. Von den beiden Altheas, die das System ausspuckte, betrieb die eine einen Schnellimbiss in Butternut, weit im Norden von Wisconsin, und die andere war eine Schwarze, die in Milwaukee in einer Kindertagesstätte arbeitete. Keine der beiden hatte etwas mit dem Mann im La Riviere General zu tun. Die Charles Burnsides, die das System aufspürte, waren nicht der Charles Burnside der Sozialarbeiterin. Althea schien nicht zu existieren. Charles, so schien es, gehörte zu den schwer erfassbaren Menschen, die durchs Leben gehen, ohne jemals Steuern zu zahlen, sich als Wähler registrieren zu lassen, eine Sozialversicherungsnummer zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen, sich freiwillig zum Militär zu melden, den Führerschein zu machen oder ihre Zeiten etwa im offenen Vollzug zu verbringen.

    Eine weitere Runde Telefongespräche führte dazu, dass der schwer erfassbare Charles Burnside als Mündel der County eingestuft und in die Seniorenresidenz Maxton eingewiesen wurde, bis im State Hospital in Whitehall ein Bett für ihn frei sein würde. Ein Krankenwagen transportierte Burnside auf Kosten des großzügigen Steuerzahlers ins Maxton, wo Chipper ihn missmutig in den Daisy-Trakt verfrachtete. Sechs Wochen später wurde auf der Pflegestation im State Hospital ein Bett frei. Chipper erhielt den entsprechenden Anruf, nachdem der Postbote ihm kurz zuvor einen von einer Althea Burnside auf eine Bank in De Pere ausgestellten Scheck für Charles Burnsides Unterbringung im Heim gebracht hatte. Als Althea Burnsides Anschrift war ein Postfach in De Pere angegeben. Auf den Anruf vom State Hospital hin kündigte Chipper an, um seine Bürgerpflicht zu erfüllen, sei er gern bereit, Mr. Burnside weiter in der Seniorenresidenz Maxton zu beherbergen. Der alte Knabe war soeben zu seinem Lieblingspatienten mutiert. Ohne dass Chipper die gewohnten Buchhaltungstricks hätte anwenden müssen, hatte Burny Chippers Monatseinnahmen verdoppelt.
    In den darauf folgenden sechs Jahren glitt der Alte unaufhaltsam ins Dunkel der Alzheimerkrankheit hinab. Falls er simulierte, lieferte er jedenfalls eine glänzende Vorstellung. Sein Weg nach unten führte über die absteigenden Zwischenstationen Inkontinenz, Sprachverlust, häufige Wutausbrüche, Gedächtnisschwund, Unfähigkeit zu selbstständiger Nahrungsaufnahme und schließlich Persönlichkeitsverlust. Er sank zunächst ins frühkindliche Stadium und dann in geistige Leere zurück, bis er seine Tage im Rollstuhl festgeschnallt verbrachte. Chipper betrauerte das unvermeidliche Dahinsiechen dieses einzigartig kooperativen Patienten. Im Sommer vor den bereits geschilderten Geschehnissen ereignete sich dann die erstaunliche Wiederbelebung. Lebhaftigkeit kehrte in Burnys schlaffes Gesicht zurück, und er begann, lautstark Unsinn zu reden: Abbalah! Gorg! Munshun! Gorg! Er wollte ohne Hilfe essen, er wollte sich Bewegung verschaffen, umherstolpern und sich wieder mit seiner Umgebung vertraut machen. Innerhalb einer Woche benützte er wieder englische Wörter, um darauf zu bestehen,
seine eigenen Anziehsachen zu tragen und allein auf die Toilette zu gehen. Er nahm zu, wurde kräftiger, war wieder eine Plage. Jetzt wechselt er, oft am selben Tag, zwischen alzheimerscher Leblosigkeit und einer verhalten durchscheinenden Verdrießlichkeit, die bei einem Mann von fünfundachtzig Jahren so gesund ist, dass man sie rüstig nennen könnte. Burny gleicht einem Mann, der nach Lourdes gepilgert ist und eine Wunderheilung erfahren hat, dort aber abgereist ist, bevor sie vollständig war. Für Chipper ist ein Wunder ein Wunder. Wen kümmert’s, ob der alte Fiesling übers Gelände wandert oder in den Haltegurten

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