Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
Vom Netzwerk:
sein Zimmer. Burny leidet seit vielen Jahren an der Alzheimerkrankheit, und was wie eine aggressive Form von Vergnügen wirkt, ist vielleicht nicht mehr als körperliche Befriedigung einfachster Art. Hätten wir nicht schon vermutet, dass der Gestank in diesem Zimmer von ihm stammt, beseitigen die Flecken, die sich auf dem Laken ausbreiten, die letzten Zweifel. Er hat gerade massiv in sein Bett defäkiert, und das Allermindeste, was sich über seine Reaktion auf diese Tatsache sagen lässt, ist, dass ihn das nicht im Geringsten stört. O nein, Schamgefühl gehört nicht eben zu seiner Persönlichkeitsstruktur.
    Aber auch wenn Burny – anders als die reizende Alice – nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, ist er dennoch kein typischer Alzheimer-Patient. Manchmal verbringt er ein, zwei Tage damit, wie Chippers übrige »Zombies« in seinen Haferbrei zu murmeln, um sich dann neu erwacht wieder unter die Lebenden zu mischen. Ist er nicht untot, schafft er es im Allgemeinen, rechtzeitig den Korridor entlang auf die Toilette zu gehen, und verbringt Stunden damit, sich allein fortzuschleichen oder auf dem Gelände zu patrouillieren und zu jedermann unfreundlich – eigentlich sogar ziemlich aggressiv – zu sein. Ist er gerade kein Zombie, ist er verschlagen, hinterhältig, rüde, bissig, starrköpfig, unflätig, bösartig und nachtragend, mit anderen Worten – in der Welt nach Chippers Begriffen – ein Blutsbruder der anderen alten Männer, die im Maxton leben. Einige der Krankenschwestern, Altenpfleger und Pflegekräfte bezweifeln sowieso, dass Burny wirklich Alzheimer hat. Sie glauben vielmehr, dass er die Krankheit nur vortäuscht, sich
verstellt und sich verweigert, nur um ihnen absichtlich mehr Arbeiten aufzubürden, während er sich ausruht und Kräfte für die nächste unerfreuliche Episode sammelt. Wir können ihnen diesen Verdacht kaum verübeln. Falls bei Burny keine falsche Diagnose vorliegt, ist er vermutlich der weltweit einzige Alzheimer-Patient im fortgeschrittenen Stadium, bei dem die Symptome zwischendurch für längere Zeit nachlassen.
    Im Jahr 1996, seinem 78. Lebensjahr, kam der als Charles Burnside bekannte Mann aus dem La Riviere General Hospital ins Maxton – in einem Krankwagen, nicht etwa im Wagen eines hilfreichen Verwandten. Er war eines Tages mit zwei schweren Koffern, die schmutzige Kleidungsstücke enthielten, in der Notaufnahme aufgekreuzt und hatte lautstark medizinische Betreuung verlangt. Seine Forderungen waren unzusammenhängend, aber sie waren eindeutig. Er behauptete, beträchtlich weit marschiert zu sein, um das Krankenhaus zu erreichen, und wollte nun, dass man sich im Krankenhaus um ihn kümmerte. Die Entfernung schwankte von Mal zu Mal – zehn Meilen, fünfzehn Meilen, fünfundzwanzig Meilen. Er hatte – oder hatte nicht – einige Nächte lang auf Feldern oder am Straßenrand geschlafen. Sein Allgemeinzustand und der Geruch, den er an sich hatte, ließen jedenfalls darauf schlie ßen, dass er etwa eine Woche lang zu Fuß unterwegs gewesen war und im Freien übernachtet hatte. Sollte er jemals eine Brieftasche gehabt haben, so musste er sie unterwegs verloren haben. Im La Riviere General wusch man ihn, fütterte ihn, gab ihm ein Bett und versuchte, seine Vorgeschichte aus ihm herauszubekommen. Die meisten seiner Äußerungen endeten in zusammenhangslosem Gebrabbel, aber obwohl er offenbar keinerlei Papiere besaß, schienen wenigstens folgende Tatsachen festzustehen: Burnside hatte in der hiesigen Gegend viele Jahre lang sowohl selbstständig als auch bei Bauunternehmen als Zimmerer, Schreiner und Gipser gearbeitet. Eine Tante, die in der Kleinstadt Blair lebte, hatte ihn bei sich aufgenommen.
    War er also die achtzehn Meilen von Blair nach La Riviere zu Fuß gegangen? Nein, er hatte seinen Marsch irgendwo anders begonnen, er konnte sich nicht an den Ort erinnern,
aber er lag zehn Meilen entfernt, nein, fünfundzwanzig Meilen, irgendein Nest, und die Leute in diesem Nest waren allesamt nichtsnutzige, dämliche Arschgeigen. Wie hieß seine Tante? Althea Burnside. Ihre Anschrift und Telefonnummer? Keine Ahnung, konnte sich nicht daran erinnern. Ging seine Tante irgendeiner Arbeit nach? Ja, sie hatte einen Ganztagsjob als dämliche Arschgeige. Aber sie hatte ihm erlaubt, bei sich zu wohnen? Wer? Was erlaubt? Charles Burnside brauchte niemands Erlaubnis, er machte verdammt noch mal, was er wollte. Hatte seine Tante ihn schließlich aus dem Haus gewiesen? Vom wem redest du

Weitere Kostenlose Bücher