Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
bewaffnet und mit Kleidungsstücken ausgerüstet, die zu sehr nach kugelsicheren Westen aussehen, um etwas anderes sein zu können.
»George Potter?«, sagt jemand, und George sieht auf. Mit seinem Glas in einer Hand und dem Krug Bier in der anderen ist er ein leichtes Ziel.
»Yeah, was wollen Sie?«, sagt er, und dann wird er an den Armen und Schultern gepackt und von seinem Platz hochgerissen. Mit den Knien rammt er die Unterseite des Tischs und wirft ihn um. Spaghettiteller und Bierkrug knallen auf den Fußboden. Der Teller zersplittert. Der Krug, der solider ist, bleibt heil. Eine Frau kreischt. Ein Mann sagt halb laut und respektvoll: »Jau!«
Potter hält sein halb volles Glas noch einen Augenblick in der Hand, dann entreißt Tom Lund ihm diese potenzielle Waffe. Eine Sekunde später lässt Dale Gilbertson die Handschellen zuschnappen und hat dabei noch Zeit, sich zu sagen, dass dies das befriedigendste Geräusch ist, das er in seinem ganzen Leben gehört hat. Sein Traktor hat endlich etwas Traktion gefunden, bei Gott.
Dieser Zugriff ist Lichtjahre von dem Chaos bei Ed’s Eats entfernt; er läuft glatt und problemlos ab. Keine zehn Sekunden nachdem Dale die einzige Frage gestellt hat – »George Potter?« -, ist der Verdächtige durch die Tür nach draußen in den
Nebel geschafft worden. Tom hält den einen Ellbogen gepackt, Bobby den anderen. Dale rasselt noch immer die Rechtsbelehrung herunter, wobei er wie ein Versteigerer klingt, der Amphetamine eingeworfen hat. George Potters Füße berühren den Gehsteig nicht.
Jack Sawyer fühlt sich erstmals seit seinem zwölften Lebensjahr, wo er in einer Lincoln-Limousine mit einem Werwolf am Steuer aus Kalifornien zurückkam, wieder ganz lebendig. Er hat den Verdacht, dass er für diese Revitalisierung später einen hohen Preis wird zahlen müssen, aber er hofft, dass er die Klappe halten und einfach blechen wird, wenn’s so weit ist. Weil sein bisheriges Erwachsenenleben ihm jetzt so grau erscheint.
Er steht neben seinem Pickup und sieht durchs offene Fenster Henry an. Die Luft ist feucht und bereits mit Erregung aufgeladen. Er hört die bläulich weißen Strahler der Parkplatzbeleuchtung brutzeln, als würde etwas in heißen Säften gebraten.
»Henry.«
»Zu Befehl.«
»Kennst du das Kirchenlied ›Amazing Grace‹?«
»Natürlich. ›Amazing Grace‹ kennt jeder.«
Jack sagt: »›War blind, aber nun bin ich sehend‹. Das verstehe ich jetzt.«
Henry wendet Jack sein blindes, erschreckend intelligentes Gesicht zu. Er lächelt. Es ist das zweitsüßeste Lächeln, das Jack je gesehen hat. Das blaue Band behält Wolf, sein lieber Freund aus Jacks Wanderzeit im zwölften Herbst seines Lebens. Der gute alte Wolf, dem genau hier und jetzt alles gefiel.
»Du bist wieder da, stimmt’s?«
Auf dem Parkplatz stehend grinst unser alter Freund. »Allerdings, Jack ist wieder da.«
»Dann geh los und tu, wozu du zurückgekommen bist«, sagt Henry.
»Ich möchte, dass du die Fenster schließt.«
»Damit ich nichts hören kann? Das glaube ich weniger«, erklärt Henry ihm durchaus freundlich.
Weitere Cops treffen ein, und diesmal blitzen die blauen
Blinkleuchten des ersten Wagens, und die Sirene heult an- und abschwellend. Jack entdeckt in diesem Heulen einen jubelnden Unterton und überlegt sich, dass er keine Zeit hat, hier zu stehen und mit Henry über die Fenster des Pickups zu diskutieren.
Er macht sich auf den Weg zum Hintereingang der Polizeistation, und zwei der bläulich weißen Strahler werfen seinen Schatten doppelt auf den Nebel: ein dunkles Haupt nach Norden und eines nach Süden.
Die Teilzeit-Cops Holtz und Nestler folgen hinter dem Wagen, in dem Gilbertson, Lund, Dulac und Potter sitzen. Aus Holtz und Nestler machen wir uns nicht sonderlich viel. Dahinter kommen Jesperson und Tcheda mit Railsback und Morton Fine auf dem Rücksitz (wobei Morty sich über den Mangel an Beinfreiheit beschwert). Aus Railsback machen wir uns was, aber er kann warten. Der nächste Wagen, der auf den Parkplatz fährt … Oh, das ist wirklich interessant, wenn auch nicht ganz unerwartet: Wendell Greens klappriger roter Toyota mit dem Mann selbst am Steuer. Um seinen Hals hängt seine Reservekamera, eine Minolta, die Fotos macht, solange Wendell den Auslöser gedrückt hält. Niemand aus der Sand Bar ist da – jedenfalls noch nicht -, aber draußen wartet noch ein Wagen darauf, auf den schon fast überfüllten Parkplatz abbiegen zu können. Ein diskreter
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