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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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hinein.
     
    Henry Leyden sitzt wieder einmal steif auf dem Beifahrersitz von Jacks Pickup. Heute Abend trägt er ein weißes Hemd mit offenem Kragen und eine frisch gebügelte blaue Leinenhose.
Schlank wie ein Dressman, das silbern werdende Haar streng zurückgekämmt. Hat Sydney Carton auf dem Weg zur Guillotine etwa cooler ausgesehen? Auch nur in Charles Dickens’ Vorstellung? Das bezweifelt Jack.
    »Henry …«
    »Ich weiß«, sagt Henry. »Wie ein braver kleiner Junge im Wagen sitzen bleiben, bis ich gerufen werde.«
    »Bei verriegelten Türen. Und sag nicht wieder Oui, mon capitaine . Das ist abgenudelt.«
    »Ist zu Befehl in Ordnung?«
    »Durchaus.«
    Der Nebel wird dichter, als sie sich der Stadt nähern, und Jack blendet seine Scheinwerfer ab – Fernlicht taugt in dieser Suppe nichts. Er sieht auf die Borduhr. 19.03 Uhr. Das Tempo steigert sich. Das ist ihm gerade recht. Mehr tun, weniger denken – Jack Sawyers Rezept für geistige Hygiene.
    »Ich hole dich schnell rein, sobald sie Potter geschnappt haben.«
    »Du erwartest aber nicht, dass es dabei Schwierigkeiten geben könnte, oder?«
    »Nein«, sagt Jack, dann wechselt er das Thema. »Mit dieser Aufnahme von Slobberbone hast du mich ziemlich überrascht, ehrlich.« Er kann nicht eigentlich von einem Song sprechen, nicht da doch der Leadssänger den größten Teil des Texts mit voller Lungenkraft gekreischt hat. »Die war gut.«
    »Die Lead-Gitarre verhilft der CD zum Erfolg«, sagt Henry, wobei er Jacks sorgfältige Wortwahl imitiert. »Überraschend differenziert. Normalerweise kann man bestenfalls darauf hoffen, dass sie nicht verstimmt ist.« Er lässt das Fenster auf seiner Seite herunter, steckt den Kopf wie ein Hund hinaus und zieht ihn wieder zurück. Dann sagt er ebenso ungezwungen wie bisher: »Die ganze Stadt stinkt.«
    »Das kommt vom Nebel. Der bringt die übelsten Gerüche des Flusses mit.«
    »Nein«, sagt Henry nüchtern, »das kommt vom Tod. Ich rieche ihn, und ich glaube, du tust das auch. Nur vielleicht nicht mit deiner Nase.«
    »Ich rieche ihn«, gibt Jack zu.

    »Potter ist der falsche Mann.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Der Mann, den Railsback gesehen hat, war ein Henkersgehilfe.«
    »Der Mann, den Railsback gesehen hat, war fast sicher der Fisherman.«
    Sie fahren eine Zeit lang schweigend weiter.
    »Henry?«
    »Zu Befehl.«
    »Was ist die beste Aufnahme? Die beste Aufnahme und der beste Song?«
    Henry denkt darüber nach. »Ist dir klar, was für eine schrecklich persönliche Frage das ist?«
    »Ja.«
    Henry denkt noch etwas länger nach, dann sagt er: »Vielleicht ›Stardust‹. Hoagy Carmichael. Und für dich?«
    Der Mann am Steuer denkt weit zurück, erinnert sich an die Zeit, als Jacky sechs war. Sein Vater und Onkel Morgan waren Jazzfans; seine Mutter hatte einen schlichteren Geschmack. Er erinnert sich, wie sie in einem endlosen Sommer in L. A. immer wieder denselben Song spielte – am Fenster sitzend, hinausstarrend und rauchend. Wer singt da, Mama?, fragt Jacky, und seine Mutter sagt: Patsy Cline. Sie ist mit dem Flugzeug verunglückt.
    »›Crazy Arms‹«, sagt Jack. »Mit Patsy Cline als Sängerin. Von Ralph Mooney und Chuck Seals geschrieben. Das ist die beste Aufnahme. Das ist der beste Song.«
    Henry schweigt für den Rest der Fahrt. Jack weint.
    Henry kann seine Tränen riechen.
     
    Wir wollen die Dinge jetzt im größeren Zusammenhang betrachten, wie Politiker zweifellos des Öfteren sagen. Das müssen wir fast, weil die Dinge begonnen haben, sich zu überlagern. Während Beezer und der Rest der Thunder Five auf dem FLPD-Parkplatz an der Sumner Street eintreffen, parken Dale, Tom Lund und Bobby Dulac – in ihren Kevlar-Westen unbeholfen massig – vor Lucky’s Tavern in der zweiten Reihe. Sie parken auf der Straße, weil Dale reichlich Platz will,
um die hintere Tür des Streifenwagens weit öffnen zu können, damit Potter möglichst schnell reingestoßen werden kann. Nebenan sind Dit Jesperson und Danny Tcheda im Hotel Nelson, in dem sie Zimmer 214 mit Absperrband sichern werden. Sobald sie damit fertig sind, sollen sie Andy Railsback und Morty Fine auf die Polizeistation bringen. In der Polizeistation ruft Ernie Therriault gerade die Kriminalbeamten Brown und Black an, die allerdings erst nach der Festnahme werden eintreffen können … und falls sie deswegen sauer sind, ist’s auch recht. In der Sand Bar hat Tansy Freneau, deren Blick seltsam ausdruckslos ist, eben den Stecker der Jukebox herausgezogen

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