Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
nicht. Mouse hat kein Krankenhaus mehr betreten, seit sein Alter in einem abgekratzt ist. Er hat doppelt so viel Angst vor Krankenhäusern wie vor dem, was mit seinem Bein passiert. Würden wir ihn ins La Riviere General schaffen, würde er wahrscheinlich schon in der Notaufnahme tot umfallen.«
»Und wenn er’s nicht täte, würde er Ihnen nie verzeihen, dass Sie ihn hingebracht haben.«
»Genau. Wie schnell können Sie hier sein?«
»Ich muss noch mit der Frau reden, von der ich Ihnen erzählt habe. Vielleicht in einer Stunde – jedenfalls nicht viel später.«
»Haben Sie mich nicht verstanden? Mouse stirbt uns unter den Händen weg. Wir haben eine Menge zu bereden.«
»Ich weiß«, sagt Jack. »Arbeiten Sie in dieser Sache mit mir zusammen, Beez.« Er legt auf, wendet sich der Tür neben dem Sprechzimmersessel zu und wartet darauf, dass seine Welt sich verändert.
Was zum Teufel haben die beiden besprochen? , fragt Wendell Green sich. Er hat zwei Tonbandminuten für ein Gespräch zwischen Jack Sawyer und dem dämlichen Hundesohn vergeudet, der den Film vernichtet hat, der ihm ein schickes Auto und eine Luxusvilla auf den Klippen über dem Fluss hätte einbringen sollen, und nur wertlosen Scheiß aufgenommen. Wendell hat das schicke Auto und die Luxusvilla verdient, hat sie dreifach verdient, und das Gefühl, um seinen gerechten Lohn gebracht
worden zu sein, lässt ihn innerlich vor Groll schäumen. Goldjungen bekommen alles auf mit Diamanten besetzten Tabletts serviert, die Leute überschlagen sich fast, um ihnen Zeug anzubieten, das sie nicht einmal brauchen – aber ein legendärer, selbstloser, hart arbeitender Gentleman von der Presse wie Wendell Green? Ihn kostet es allein einen Zwanziger , sich in einem engen, dunklen Garderobenschrank verstecken zu dürfen, nur damit er seine Arbeit tun kann!
Ihm klingen die Ohren, als er hört, wie die Tür geöffnet wird. Die rote Leuchtdiode brennt, in dem bewährten Diktiergerät läuft das aufnahmebereite Band von einer Spule zur anderen, und was jetzt bevorsteht, wird alles ändern: Wendells Bauch, dieses unfehlbare Organ, sein bester Freund, wird von der Gewissheit erwärmt, dass ihm nun bald Gerechtigkeit widerfahren wird.
Dr. Spieglemans Stimme dringt durch die Schranktür und wird auf Band aufgezeichnet: »Ich lasse Sie beide jetzt allein.«
Goldjunge: »Danke, Doktor. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.«
Dr. Spiegleman: »Eine halbe Stunde, abgemacht? Ich komme also um … hm … zehn nach zwei wieder.«
Goldjunge: »Gut.«
Das leise Schließen der Tür, das Einschnappen des Schlosses. Dann für lange Sekunden nur Schweigen. Warum reden sie nicht miteinander? Aber natürlich … diese Frage beantwortet sich von selbst. Sie warten darauf, dass dieser Fettarsch Spiegleman außer Hörweite ist.
Oh, ist das köstlich, einfach köstlich! Goldjunges verstohlene Schritte, die sich in Richtung Tür bewegen, bestätigen praktisch die Intuition des wackeren Reporters. O Wendell Greens Bauch, o wundersames und vertrauenswürdiges Organ, du hast wieder einmal das richtige journalistische Gespür gehabt! Wendell hört, und das Gerät registriert das unvermeidliche nächste Geräusch: das Klicken, mit dem die Tür abgesperrt wird.
Judy Marshall: »Vergiss die Tür hinter dir nicht.«
Goldjunge: »Wie geht’s dir?«
Judy Marshall: »Viel, viel besser, nachdem du jetzt hier bist. Die Tür, Jack.«
Weitere Schritte, wieder das unverkennbare Klicken, mit dem ein Metallbolzen ins Schloss gleitet.
Bald vor dem Ruin stehender Goldjunge: »Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht. Ich habe an unser Zusammensein gedacht.«
Das Flittchen, die Nutte, die Schlampe: »Genügt uns eine halbe Stunde?«
Der, der mit einem Fuß im Fangeisen steht: »Wenn nicht, muss er eben an die Türen hämmern.«
Wendell muss sich beherrschen, um nicht vor Entzücken zu krähen. Diese beiden Leute werden tatsächlich Sex miteinander haben, sie werden sich die Klamotten vom Leib reißen und wie Tiere übereinander herfallen. Mann, wenn das keine tolle Revanche ist! Ist Wendell Green erst mal mit ihm fertig, wird Jack Sawyer einen schlechteren Ruf haben als der Fisherman.
Judys Blick wirkt müde, ihr Haar ist strähnig, und ihre Fingerspitzen sind frisch mit bestürzend weißen Mullbinden verbunden, aber auf ihrem Gesicht, das nicht nur die Tiefe ihrer Empfindungen erkennen lässt, leuchtet die reine, hart erkämpfte Schönheit der imaginativen Kraft, die sie aufgewendet
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