Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
Vom Netzwerk:
Dockers und Bass-Weejuns-Schuhen kann doch bestimmt nicht George Rathbun sein! In Gedanken haben wir uns bereits ein Bild von George gemacht, das völlig anders aussieht als dieser Bursche. Vor unserem inneren Auge steht ein Kerl mit einem riesigen Wanst, der über den weißen Gürtel einer karierten Hose hängt (all die in Baseballstadien verzehrten Bratwürste), ziegelroter Gesichtsfarbe (all die sich in Stadien genehmigten Biere, von all dem Gebrüll über unfähige Schiedsrichter ganz zu schweigen) und einem stämmigen, gedrungenen Hals (die perfekte Hülle für diese Asbeststimmbänder). Der George Rathbun
unserer Fantasie – und wie ganz Coulee Country ihn sich vorstellt, was sich fast von selbst versteht – ist ein Herzschlagkandidat mit Basedowaugen, breitem Hintern, zerzaustem Haar und einer Lederlunge, der Rennies kaut, Chevy fährt und die Republikaner wählt; ein Butterfass voller Sporttrivialitäten, verrückter Enthusiasmen, abwegiger Vorurteile und hohem Cholesterinspiegel.
    Der Bursche hier entspricht ganz und gar nicht jenem Kerl. Dieser Bursche bewegt sich wie ein Tänzer. Dieser Bursche ist Eistee an einem heißen Tag, cool wie der Pik-König.
    Aber hört mal, das ist doch der Witz daran, oder? Genau. Der Witz von dem fetten DJ mit der mickrigen Stimme – nur eben umgekehrt. In sehr realem Sinn existiert George Rathbun überhaupt nicht. Er ist ein Hobby in Aktion, eine lebendig gewordene Fiktion, lediglich eine der vielen Persönlichkeiten des schlanken Mannes. Die Leute bei KDCU kennen natürlich seinen wahren Namen und glauben, in seinen Witz eingeweiht zu sein (dessen Pointe, dass sogar ein Blinder dieses oder jenes sehen kann, natürlich Georges Markenzeichen ist), dabei wissen sie nicht einmal die Hälfte. Was übrigens keineswegs eine bildhafte Aussage ist. Sie kennen maximal ein Drittel davon, in Wirklichkeit besteht der Mann in den Dockers und mit dem Panamahut nämlich aus vier Persönlichkeiten.
    Jedenfalls war George Rathbun die Rettung für KDCU, den letzten überlebenden Mittelwellensender auf einem räuberischen UKW-Markt. An fünf Morgen pro Woche hat er sich Woche für Woche zur Hauptsendezeit als wahre Goldgrube erwiesen. Dafür liebt die U-Crew (wie sich die Technikermannschaft hier selbst nennt) ihn heiß und innig.
    Über ihm plappert der Lautsprecher weiter: »… noch immer keine heiße Spur, wie Polizeichef Dale Gilbertson mitteilt, der den Herald -Reporter Wendell Green als ›einen auswärtigen Panikmacher, der mehr Interesse an Auflagensteigerung als an unserer Arbeitsweise in French Landing hat‹, genannt hat.
    Unterdessen sind in Arden beim Brand eines Wohnhauses ein betagter Farmer und seine Frau umgekommen. Horst P. Lepplemier und seine Frau Gertrude, beide zweiundachtzig …«

    »Horst P. Lepplemier«, sagt der schlanke Mann, der mit offensichtlichem Genuss an seiner Zigarette zieht. »Versuch mal, das zehnmal nacheinander schnell zu sagen, du Esel.«
    Rechts hinter ihm geht die Tür auf, und obwohl der Raucher weiter direkt unter dem Lautsprecher steht, hört er sehr gut, wie sie sich öffnet. Die Augen hinter der Pilotenbrille sind zwar zeit seines Lebens blind, dafür funktioniert sein Gehör ausgezeichnet.
    Der Neuankömmling hat ein teigiges Gesicht und blinzelt in die Morgensonne wie ein Maulwurfjunges, das eben mittels einer Pflugschar aus seinem Bau ans Tageslicht befördert worden ist. Sein Schädel ist bis auf die Irokesen-Bürste in der Kopfmitte und den Zopf, der kurz über dem Nacken beginnt und auf die Schulterblätter herabhängt, glatt rasiert. Der Irokese ist hellrot gefärbt, der Zopf dagegen leuchtet knallblau. An einem Ohrläppchen baumelt ein Ohrring mit Blitzstrahlen, die verdächtig wie SS-Runen aussehen. Er trägt ein zerschlissenes schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck SNIVELLING SHITS’97: »WIR KRIEGEN’NEN STEIFEN FüR JESUS«-TOUR. In einer Hand hält diese malerische Erscheinung eine CD-Hülle.
    »Hallo, Morris«, sagt der schlanke Mann mit dem Panamahut, ohne sich umzudrehen.
    Morris schnappt etwas nach Luft und sieht in seiner Überraschung wie der nette jüdische Junge aus, der er tatsächlich ist. Morris Rosen ist der Sommervolontär, der von der UW/Oshkosh kommend die U-Crew verstärkt. »Mann, mir machen diese dämlichen unbezahlten Helfer richtig Freude!«, sagt der Leiter des Senders, Tom Wiggins, manchmal, wobei er sich meistens teuflisch die Hände reibt. Noch nie ist ein Scheckbuch so streng bewacht worden, wie Wiggins das

Weitere Kostenlose Bücher