Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Schweiiin!«
Aber Tyler lässt nicht los. Stattdessen schüttelt er die Darmschlinge erbittert von einer Seite zur anderen wie ein Terrier, der eine Ratte in der Schnauze hat. Blut und eine gelbliche Flüssigkeit spritzen aus dem Loch in Burnys Bauchdecke. »Stirb!«, hört Ty sich kreischen . »Stirb, du alter Scheißer, los, stirb doch endlich!«
Burny torkelt einen weiteren Schritt rückwärts. Die Kinnlade sackt ihm herab, und er verliert ein Stück seiner oberen Gebisshälfte, die gleich darauf auf die festgetretene Erde fällt. Er starrt auf zwei Schlingen seines eigenen Gedärms hinunter, die sich aus dem klaffenden rot-schwarzen Schlitz im Hemd bis zur Rechten dieses grässlichen Kindes erstrecken. Und er sieht etwas noch Erschreckenderes: Der Junge ist jetzt von einem weißlichen Leuchten umgeben, das ihm mehr Kraft zu verleihen scheint, als er normalerweise besitzen würde. Es verleiht ihm die Kraft, Burny bei lebendigem Leib die Eingeweide herauszureißen, und wie das weh tut, wie das weh tut, es dud dud dud so weeeeh …
»Stirb!«, kreischt der Junge mit schriller, sich überschlagender Stimme. »O bitte, willst du nicht endlich sterben?«
Und dann sackt Burny nach quälend langer Zeit endlich zusammen. Sein verlöschender Blick fällt auf den Elektroschocker, und er streckt eine zitternde Hand danach aus. Aber bevor er ihn erreichen kann, verlässt das Licht des Bewusstseins Burnys Augen. Die Schmerzen, die er erlitten hat, entsprechen zwar nicht einmal einem Hundertstel der Leiden, die er selbst seinen
Opfern zugefügt hat, aber sie sind alles, was sein Greisenkörper ertragen kann. Tief aus seinem Rachen kommt ein heiseres Krächzen, dann kippt er nach hinten, wobei weitere Darmschlaufen aus dem Unterleib gezogen werden. Er nimmt weder dies noch sonst etwas mehr wahr.
Carl Bierstone, auch als Charles Burnside bekannt, auch als »Chummy« Burnside bekannt, ist tot.
Über eine halbe Minute lang bewegt sich nichts. Tyler Marshall lebt, aber er baumelt zunächst nur an seinem gefesselten linken Arm und hält mit der rechten Hand weiter eine Schlinge von Burnys Gedärm umklammert. Hält sie wie im Todeskrampf umklammert. Zuletzt verändert eine neue Wahrnehmung seine Gesichtszüge. Er zieht die Beine an, rappelt sich auf und vermindert so den fast unerträglichen Zug am linken Schultergelenk. Plötzlich wird ihm klar, dass sein rechter Arm bis zum Bizeps mit Blut bespritzt ist und er die Eingeweide eines Toten umklammert hält. Er lässt sie los und will zur offenen Tür flüchten, ohne daran zu denken, dass er ja weiter an die Hüttenwand gefesselt ist, bis er gewaltsam zurückgehalten wird, wobei sein Schultergelenk wieder vor Schmerz aufzuschreien scheint.
Das hast du gut gemacht, flüstert Judy-Sophies Stimme ihm zu . Aber du musst hier raus – und zwar möglichst schnell.
Über Tys bleiches, schmutziges Gesicht laufen wieder Tränen, und er fängt an, so laut zu kreischen, wie er nur kann.
»Helft mir! Helft mir doch! Ich bin in der Hütte! Ich bin in der Hütte!«
Auf dem Parkplatz hinter der Sand Bar bleibt Doc mit seiner rumpelnden Harley zwischen den Beinen, wo er ist. Beezer dagegen stellt seine Maschine ab, klappt den Seitenständer mit der Stiefelspitze heraus und geht zu Jack, Dale und Fred hinüber. Den eingepackten länglichen Gegenstand, den Tys Vater mitgebracht hat, hat Jack an sich genommen. Fred hat Jack unterdessen vorn am Hemd zu fassen bekommen. Dale versucht den Mann zurückzuhalten, aber für Fred Marshall gibt es im Augenblick nur zwei Menschen auf dieser Welt: Hollywood Sawyer und ihn.
»Das war er, stimmt’s? Das war Ty. Das war mein Junge, ich hab ihn gehört! «
»Ja«, sagt Jack. »Richtig, das war er.« Er ist ziemlich blass geworden, stellt Beezer fest, wirkt aber sonst ruhig. Dass der Vater des entführten Jungen ihm das Hemd aus den Jeans gezogen hat, stört Jack überhaupt nicht. Nein, seine gesamte Aufmerksamkeit konzentriert sich auf das längliche Paket.
»Um Himmels willen, was geht hier vor?«, fragt Dale aufgelöst. Er sieht zu Beezer hinüber. »Können Sie’s mir sagen?«
»Der Junge wird irgendwo in einer Hütte gefangen gehalten«, sagt Beezer. »Habe ich Recht?«
»Ja«, sagt Jack. Fred lässt Jacks Hemd plötzlich los und torkelt schluchzend rückwärts. Jack achtet nicht auf ihn und macht auch keine Anstalten, das verknitterte Hemd wieder in die Jeans zu stecken. Er betrachtet weiter das längliche Paket. Er hat fast erwartet, statt
Weitere Kostenlose Bücher