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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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ganzen Schuhe an«, sagt Dale. »Wozu sollte jemand Schuhe so aufhäufen?«
    »Weiß der Himmel«, sagt Beezer. »Das ist einfach Landessitte, schätze ich mal. Wie weit haben wir noch, Jack? Hast du irgendeine Idee?«
    Jack betrachtet die Straße vor ihnen, dann die in der Nähe des alten Galgens nach links wegführende kleinere Straße. »Nicht mehr weit«, sagt er. »Ich glaube, wir …«
    Auf einmal hören sie vor sich die Schreie. Es sind die Schreie eines Kindes, das offenbar bis an den Rand des Wahnsinns getrieben worden ist. Vielleicht sogar darüber hinaus.
     
    Ty Marshall kann das näher kommende Summen der Bienen hören, glaubt aber, dass es sich lediglich um ein Geräusch in seinem Kopf handelt, nichts weiter als eine akustische Ausprägung seiner wachsenden Angst. Er kann nicht sagen, wie oft er schon versucht hat, den alten Lederbeutel an der Hüttenwand nach oben zu schieben; er ist beim Zählen durcheinander geraten. Er ist nicht auf den Gedanken gekommen, seine Koordinationsfähigkeit könnte sich dadurch verbessern, dass er die merkwürdige Mütze – die wie aus Tuch gefertigt aussieht und sich wie Metall anfühlt – abnimmt, weil er ganz vergessen hat, dass er die Mütze überhaupt trägt. Er weiß nur, dass er müde ist und schwitzt und zittert, vermutlich unter Schock steht und wahrscheinlich einfach aufgeben wird, wenn er es diesmal wieder nicht schafft, den Beutel zu erwischen.
    Ich würde wahrscheinlich mit Mr. Munshun mitgehen, wenn er mir nur ein Glas Wasser verspricht, denkt Ty. Aber er hat nun einmal Judys Zähigkeit geerbt und auch etwas von Sophies königlicher Unbeugsamkeit in sich. Und so ignoriert er die Schmerzen im Oberschenkel einfach, macht sich wieder daran, den Beutel die Wand entlang nach oben zu schieben und beugt sich dabei mit weit ausgestreckter rechter Hand hinunter.

    Zwanzig Zentimeter … fünfzehn … so nah war er noch nie dran...
    Der Beutel gleitet etwas nach links. Er wird ihm vom Fuß rutschen. Wieder einmal.
    »Nein«, sagt Ty leise. »Diesmal nicht.«
    Er drückt den Fuß fester ans Holz, dann schiebt er ihn wieder höher.
    Zehn Zentimeter … neun … noch sechs oder sieben, und der Beutel rutscht immer weiter nach links, er muss jeden Augenblick herunterfallen …
    »Nein!«, ruft Ty und streckt sich bis zum Äußersten. Im Rücken knackt es. In der gequälten linken Schulter ebenfalls. Aber er streift den Beutel mit den Fingern … und bekommt ihn dann zu fassen. Er holt ihn zu sich her – und lässt ihn dabei um ein Haar wieder fallen!
    »Kommt nicht in Frage, Burny«, keucht er, indem er sich den Lederbeutel jonglierend an die Brust drückt. »Kommt gar nicht in Frage, dass du mich mit so einem alten Trick reinlegst.« Er schlägt die Zähne in den oberen Rand des Beutels. Das Leder verströmt einen grässlich fauligen Gestank – Eau de Burnside. Ty schüttelt den Geruch ab und zieht den Beutel auf. Im ersten Augenblick hält er ihn für leer und stößt einen leisen, schluchzenden Klagelaut aus. Dann sieht er aber etwas Silbernes aufblitzen. Er schluchzt mit zusammengebissenen Zähnen weiter, während er mit der rechten Hand in den baumelnden Lederbeutel greift und den Schlüssel herausholt.
    Darf ihn nicht fallen lassen, denkt er. Wenn er mir aus der Hand fällt, drehe ich durch. Todsicher.
    Er lässt ihn nicht fallen. Er hebt ihn hoch, steckt ihn in das kleine seitliche Schlüsselloch der Handschelle und dreht ihn. Die Handschelle springt klickend auf.
    Ty zieht die Hand langsam, ganz langsam aus der Stahlfessel. Die Handschellen fallen auf den festgetretenen Boden der Hütte. Als Ty so dasteht, überkommt ihn eine eigenartig überzeugende Vorstellung: Er ist in Wirklichkeit noch immer in Black House und schläft auf dem zerschlissenen Futon in der Zelle mit dem Kübel in der einen Ecke und dem Blechnapf mit aufgewärmtem Konserveneintopf in der anderen. Es ist nur der
Versuch seines erschöpften Verstands, ihm etwas Hoffnung zu gewähren. Ein letztes Aufbäumen, bevor er selbst in den Schmortopf wandert.
    Von draußen dringen das Scheppern der Großen Kombination und die Schreie der Kinder herein, die auf ihren blutenden Füßchen marschieren, marschieren und marschieren, um sie in Gang zu halten. Irgendwo dort draußen kommt Mr. Munshun, der ihn an einen noch grausigeren Ort verschleppen will.
    Das alles ist kein Traum. Er weiß nicht, wohin er sich wenden oder wie er jemals in seine richtige Welt zurückfinden soll, aber der erste Schritt muss

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