Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Schweißer namens Freddy Garver, ein weiterer – wenn auch weniger erfahrener – Angehöriger von Tophams Sippe, seinen Schweißbrenner auf die eigene linke Hand und brennt sich das gesamte Fleisch von den Knochen.
Hoch oben in seinem fernen Turmverlies spürt der Scharlachrote König einen stechenden Schmerz in den Eingeweiden und lässt sich mit zur Grimasse verzerrtem Gesicht in einen Sessel fallen. In seinem trübseligen Reich, das weiß er, hat sich irgendetwas, etwas Fundamentales verändert.
Im Kielwasser der Bienenkönigin thront Tyler Marshall mit leuchtenden Augen und furchtlosem Gesicht wie ein Knabenkönig auf Jacks Schultern. Hinter Jack und seinen Freunden strömen Hunderte und Aberhunderte von Kindern, die aus dem einstürzenden Bau der Großen Kombination flüchten, auf die Schlangenstraße und das trostlose Land beiderseits der Straße. Manche dieser Kinder stammen aus unserer Welt, viele jedoch aus anderen. Zerlumpte Kinderheere fluten auf dem Weg zu den Eingängen ihrer Universen über die dunkle, verlassene Ebene. Humpelnde Bataillone von Kindern torkeln wie Marschkolonnen betrunkener Ameisen davon.
Die Kinder, die der Sawyer-Gang folgen, sind nicht weniger zerlumpt als der Rest. Die Hälfte von ihnen ist nackt oder so gut wie nackt. Diese Kinder haben Gesichter, die wir auf Fahndungsplakaten und Flugblättern mit der Überschrift VERMISST und Kindersuch-Websites gesehen haben: Gesichter aus den Träumen untröstlicher Mütter und verzweifelter Väter. Manche von ihnen lachen, manche weinen, manche tun beides zugleich. Die Stärkeren helfen den Schwächeren weiter. Sie wissen nicht, wohin sie unterwegs sind, und das ist ihnen auch egal. Dass sie
unterwegs sind, genügt ihnen schon. Sie wissen nur, dass sie frei sind. Die große Maschine, die ihnen Kraft und Freude und Hoffnung geraubt hat, liegt hinter ihnen, sie haben ein seidiges Schutzdach aus Bienen über sich, und sie sind frei.
Punkt 16.16 Uhr tritt die Sawyer-Gang aus dem schwarzen Haus ins Freie. Tyler sitzt jetzt auf Beezers muskulösen Schultern. Sie gehen die Verandastufen hinunter und bleiben vor Dales Streifenwagen stehen (die Motorhaube und die Vertiefung vor der Windschutzscheibe, in der die Scheibenwischer ruhen, sind mit toten Bienen übersät).
»Sieh dir das Haus an, Hollywood«, murmelt Doc.
Was Jack auch tut. Es ist jetzt nur noch ein Haus – ein zweistöckiger Bau, der früher vielleicht einmal ein ansehnliches Ranchhaus gewesen sein mag, aber im Lauf der Jahre baufällig geworden ist. Um alles noch schlimmer zu machen, hat jemand es von oben bis unten, von vorn bis hinten mit schwarzer Farbe gestrichen – sogar die Fenster sind damit übermalt worden. Die Gesamtwirkung ist trübselig und exzentrisch, aber keineswegs bedrohlich. Die undeutlichen, verschwimmenden Konturen des Hauses haben sich gefestigt. Seit der Abglanz des Abbalah sich verflüchtigt hat, steht hier nur noch das verlassene Heim eines alten Kerls, der ziemlich verrückt und extrem gefährlich war. Eines alten Mannes, der in einem Atemzug mit Ungeheuern in Menschengestalt wie Dahmer, Haarmann und Albert Fish genannt werden muss. Das triebhafte, zügellose Böse, das hier einst hauste, ist zerstreut, fortgeblasen worden, und der verbliebene Rest ist so banal wie ein alter Mann, der in einer Todeszelle vor sich hin murmelt. Trotzdem muss Jack mit diesem elenden Bau noch etwas anstellen – etwas, das er dem sterbenden Mouse hat versprechen müssen.
»Doc«, sagt Beezer. »Sieh mal da vorn.«
Ein großer Hund – groß, aber nicht monströs – kommt langsam auf der Zufahrt zur Route 35 herangetorkelt. Er sieht wie eine Mischung aus einem Boxer und einer Dogge aus. Eine Schädelseite und die rechte Hinterpfote sind ihm weggeschossen worden.
»Das ist dein Höllenhund«, sagt der Beez.
Doc schnappt nach Luft. »Was, der? «
»Der«, bestätigt Beezer. Er zieht seine 9-mm-Pistole, um das Tier von seinen Qualen zu erlösen, aber noch bevor er abdrücken kann, fällt der Hund zur Seite, schnauft noch einmal zitternd und liegt dann still da. Beezer dreht sich zu Jack und Dale um. »Seit die Maschine steht, ist alles viel kleiner, was?«
»Ich will zu meiner Mutter«, sagt Ty leise. »Bitte, darf ich zu ihr?«
»Ja«, sagt Jack. »Was hältst du davon, wenn wir erst noch bei euch vorbeifahren, um deinen Vater abzuholen? Ich glaube, er würde auch gern mitkommen.«
Tyler lässt ein müdes Grinsen sehen. »Ja«, sagt er. »Das machen wir.«
»Ist
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