Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
mich mögen. Verlangen Sie mehr, sonst kommen wir nicht ins Geschäft.«
»Ihr Jungs aus der Großstadt versteht euch wirklich aufs Verhandeln. Also gut, sagen wir dreitausend mehr.«
»Fünf«, sagte Jack. »Sonst haue ich ab.«
»Verkauft. Aber Sie brechen mir das Herz.«
»Das ist hoffentlich das letzte Mal, dass ich von einem von euch fiesen Norwegern ein Anwesen kaufe«, sagte Jack.
Er regelte den eigentlichen Verkauf des Hauses aus der Ferne, schickte aus L. A. eine Anzahlung, wechselte Unterschriften per Fax, keine Hypothek, Barzahlung im Voraus. Aus welchen Verhältnissen Jack Sawyer auch stammen mochte, sagte Dale sich, sie waren materiell wesentlich besser als sonst bei Polizeibeamten. Einige Wochen später tauchte Jack in einem selbst erzeugten Tornado wieder auf, ließ das Telefon anschließen und die Stromrechnung auf seinen Namen umschreiben, kaufte Roy’s Store sozusagen halb leer und flitzte nach Arden und nach La Riviere, um ein neues Bett, Bettwäsche, Geschirr, Besteck und Gläser, gusseiserne Töpfe und Pfannen, einen Satz französische Küchenmesser, eine kompakte Mikrowelle, einen riesigen Fernseher und einen Hi-Fi-Geräteturm zu kaufen, der so imposant, schwarz und prächtig war, dass Dale, der einmal bei ihm zu einem freundschaftlichen Drink eingeladen war, sich ausrechnete,
das Ding müsste mehr als sein eigenes Jahresgehalt gekostet haben. Jack hatte Unmengen weiterer Sachen an Land gezogen, darunter auch Dinge, von denen Dale nicht gewusst hatte, dass sie hier in French County, Wisconsin, überhaupt erhältlich waren. Wozu brauchte irgendjemand einen WineMaster genannten Korkenzieher für glatte fünfundsechzig Dollar? Wer war dieser Kerl, was für eine Familie hatte ihn hervorgebracht?
Dale fiel eine Tragetasche mit einem ihm unbekannten Logo auf, die mit CDs voll gestopft war – bei fünfzehn bis sechzehn Dollar pro Scheibe hatte er hier CDs für ein paar hundert Dollar vor sich. Jedenfalls schien Jack Sawyer ein großer Musikliebhaber zu sein. Dale bückte sich, zog eine Hand voll CD-Hüllen heraus und begutachtete neugierig die Fotos von Leuten, überwiegend Schwarzen, überwiegend mit an den Mund gesetzten Instrumenten. Clifford Brown, Lester Young, Tommy Flanagan, Paul Desmond. »Nie gehört«, sagte er. »Was ist das, Jazz oder so?«
»Du vermutest richtig«, sagte Jack. »Übrigens, würde es dir was ausmachen, wenn ich dich in ein paar Wochen bitte, mit mir Möbel zu rücken und Bilder aufzuhängen, all so Zeug? Ich will noch eine Menge Sachen herbringen lassen.«
»Jederzeit.« Dann hatte Dale eine großartige Idee. »He, ich muss dich mit meinem Onkel Henry zusammenbringen! Der ist sogar einer deiner Nachbarn, wohnt ungefähr eine Viertelmeile von hier die Straße runter. Er war mit meiner Tante Rhoda, der Schwester meines Vaters, verheiratet, die ist aber vor drei Jahren gestorben. Henry ist ein wandelndes Lexikon für verrückte Musik.«
Jack ging nicht auf die Behauptung ein, Jazz sei verrückte Musik. Vielleicht war er das. In Dales Ohren mochte er verrückt klingen. »Ich hätte nicht gedacht, dass Farmer viel Zeit für Musik haben.«
Dale riss den Mund auf und lachte schallend. »Henry ist kein Farmer. Henry …« Er hob grinsend die Hände – Handflächen nach oben, Finger gespreizt -, während er den richtigen Ausdruck suchte. »Er ist eher das Gegenteil von einem Farmer. Wenn du zurückkommst, mach ich dich mit ihm bekannt. Onkel Henry wird dir gefallen!«
Sechs Wochen später war Jack wieder da, um den Möbelwagen in Empfang zu nehmen und die Packer anzuweisen, wohin sie die Möbel und das andere Zeug stellen sollten. Nach einigen Tagen, als die meisten Kisten ausgepackt waren, rief er Dale an und fragte ihn, ob er noch immer auf seine Hilfe zählen könne. Es war gegen fünf Uhr abends an einem Tag, an dem so wenig los war, dass Tom Lund sogar auf seinem Schreibtischstuhl eingenickt war, und so fuhr Dale hinaus, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, zu Hause erst noch die Kleidung zu wechseln.
Seine erste Reaktion, nachdem Jack ihm die Hand geschüttelt und ihn hereingebeten hatte, war ein unverwässerter Schock. Kaum hatte Dale den ersten Schritt über die Schwelle getan, stand er wie angenagelt da und konnte nicht weiter. Erst nach einer kleinen Weile kam ihm, dass das ein guter Schock, ein freudiges Erschrecken war. Das alte Haus wirkte völlig verwandelt, so als hätte Jack Sawyer ihn ausgetrickst und die vertraute Haustür zum Inneren eines ganz
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