Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
betrachten wir jetzt die Reihe WC-Kabinen. Die Tür der zweiten Kabine von links ist geschlossen. Die anderen drei stehen in ihren verchromten Angeln hängend offen. Unter der geschlossenen Tür sehen wir ein Paar knotige, mit einem Aderngeflecht überzogene Knöchel, die aus schmutzigen Pantoffeln aufragen.
Eine Stimme schreit mit überraschender Verve auf. Es ist die Stimme eines jungen Mannes, heiser, hungrig und zornig. Ihr monotones Echo hallt von den gekachelten Wänden wider: Abbalah! Abbalah-doon! Munshun gorg!«
Plötzlich rauscht die Wasserspülung der Toiletten. Nicht nur die hinter der geschlossenen Tür, sondern alle gleichzeitig. Den WC-Kabinen gegenüber rauscht auch die Wasserspülung der Urinale, deren verchromte Hebel perfekt synchron nach unten weisen. Wasser läuft über ihre gewölbten Porzellanflächen.
Als wir von den Becken wieder zu den WC-Kabinen hinübersehen, stellen wir fest, dass die schmutzigen Pantoffeln – und die Füße in ihnen – verschwunden sind. Und zum ersten Mal haben wir tatsächlich das Geräusch von Verwerfungen gehört:
eine Art heißes Ausatmen; ein Laut, wie man ihn aus der Lunge entweichen hört, wenn man um zwei Uhr morgens aus einem Albtraum aufschreckt.
Verehrtes Publikum, Charles Burnside hat das Gebäude verlassen.
Die Krähe ist jetzt bis ganz an die Hecke zurückgewichen. Sie fixiert Tyler weiter mit ihrem glänzenden, unheimlichen Blick. Tyler, der sich wie hypnotisiert fühlt, tritt weiter auf sie zu.
»Sag noch mal meinen Namen«, flüstert er. »Sag noch mal meinen Namen, dann kannst du gehen.«
»Ty!«, krächzt die Krähe entgegenkommenderweise; schließlich flattert sie kurz mit den Flügeln und schlüpft in die Hecke. Tyler kann sie noch einen Augenblick sehen, ihr glänzendes Schwarz zwischen glänzendem Grün, dann ist sie verschwunden.
»Heiliger Bimbam!«, sagt Tyler mit einem kleinen, zittrigen Lachen. Hat sich das wirklich ereignet? Es hat sich doch ereignet, oder?
Er beugt sich zu der Stelle hinunter, wo die Krähe in der Hecke verschwunden ist, weil er hofft, dass sie eine Feder verloren haben könnte, die er als Souvenir mitnehmen könnte, und als er das tut, schießt ein hagerer weißer Arm durchs Grün und packt ihn zielsicher am Hals. Tyler hat noch Zeit, ein entsetztes Quieksen auszustoßen, dann wird er durch die Hecke gezerrt. Einer seiner Laufschuhe wird von den kurzen, steifen Zweigen abgestreift. Hinter der Hecke ertönt ein kehliger, gieriger Schrei, der wie »Junge!« klingt, und dann ist ein dumpfer Schlag zu hören – vielleicht von einem Lieblingsstein, der den Kopf eines kleinen Jungen trifft. Danach herrscht Stille bis auf das ferne Brummen eines Rasenmähers und das nähere Summen einer Biene.
Die Biene summt jenseits der Hecke, wo das Maxton steht, zwischen den Blumen herum. Dort ist sonst nichts zu sehen außer grünem Gras und in der Nähe des Gebäudes die Tische, an denen die alten Leute mittags zum Erdbeerfest-Picknick Platz nehmen werden.
Tyler Marshall ist fort.
T. J. Renniker lässt sein Fahrrad an der Kreuzung der Chase und Queen Streets ausrollen. Von seinem Eis tropft ihm dunkelblauer Saft über das Handgelenk, aber das nimmt er kaum wahr. Auf halbem Weg die Queen Street entlang sieht er Tys Rad, das leicht schräg auf dem Gehsteig liegt, von Ty selbst ist aber nichts zu sehen.
T. J. fährt langsam tretend – irgendwie hat er bei dieser Sache ein schlechtes Gefühl – zu dem abgelegten Rad hinüber. Unterwegs merkt er irgendwann, dass sein Wassereis sich jetzt in ein matschiges klebriges Etwas verwandelt hat. Er wirft es in den Rinnstein.
Das ist Tys Fahrrad, kein Zweifel. Dieses rote Schwinn mit den 20-Zoll-Rädern, dem Rennlenker und einem grünen Aufkleber der Milwaukee Bucks seitlich am Rahmen ist unverwechselbar. Dieses Rad und …
Vor der Hecke, die eine Grenze zwischen der Welt der alten Leute und der Welt der richtigen, der wirklichen Leute bildet, sieht T. J. einen auf der Seite liegenden einzelnen Reebok-Laufschuh. Um ihn herum ist eine Anzahl glänzender grüner Blätter verstreut. Aus dem Laufschuh ragt eine kleine schwarze Feder.
Der Junge starrt den Laufschuh mit großen Augen an. T. J. ist vielleicht nicht so clever wie Tyler, aber er ist immerhin ein paar Watt heller als Ebbie Wexler, und er kann sich leicht vorstellen, dass Tyler hier durch die Hecke gezerrt worden ist und dabei sein Fahrrad zurückgelassen hat … und einen Laufschuh … einen einzelnen, auf der Seite
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