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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Krähenstimme, und dabei fällt ihr ein, dass in ihrem Traum eine Krähe vorgekommen ist. Aber natürlich! Die Krähe Gorg.
    »Gorg bedeutet Tod«, sagt sie und leckt sich die trockene Oberlippe, ohne es zu merken. Ihre Zunge kommt sogar noch weiter heraus, und die Spitze leckt beim Zurückkommen über ihre Nasenlöcher … warm und feucht und irgendwie tröstlich.
»Dort drüben heißt Gorg nichts anderes als Tod. Dort drüben im …«
    Anderland ist das Wort, das sie nicht mehr sagt. Bevor sie es aussprechen kann, sieht sie auf dem Küchentisch nämlich etwas, das zuvor nicht dort war. Einen geflochtenen Korb, aus dem ein Geräusch kommt, ein halblautes, schläfriges Geräusch.
    Verzweiflung kriecht ihr in den Unterleib, macht ihr Gedärm schlaff und wässrig. Sie weiß, wozu solche Weidenkörbe verwendet werden. Bei dem Korb handelt es sich um einen Fischkorb.
    In French Landing gibt’s heutzutage einen Fischer. Einen bösen Fisherman.
    »Ty?«, ruft sie, aber natürlich bekommt sie keine Antwort. Außer ihr ist das Haus leer. Fred ist im Geschäft, und Ty ist zum Spielen unterwegs – jede Wette. Wir sind in der zweiten Julihälfte, mitten in den Sommerferien, und Ty streift bestimmt durch die ganze Stadt und erlebt all die gruseligen Abenteuer, die Jungen eben so unternehmen, wenn sie endlos lange Sommertage vor sich haben. Aber er ist nicht allein; Fred hat mit ihm darüber gesprochen, dass er mit seinen Kumpels zusammenbleiben soll, bis der Fisherman gefasst ist, mindestens bis dahin, und sie hat es ebenfalls getan. Judy kann den Wexler-Jungen nicht besonders leiden (den Metzger- oder den Renniker-Jungen auch nicht), aber zu mehreren ist man einfach sicherer. Ty dürfte dieser Sommer zwar keine kulturellen Schlüsselerlebnisse bringen, aber wenigstens …
    »Wenigstens ist er sicher«, sagt sie mit ihrer krächzenden Krähe-Gorg-Stimme. Aber der Weidenkorb, der während ihres Nickerchens auf dem Küchentisch erschienen ist, scheint das zu leugnen, scheint ihr gesamtes Sicherheitskonzept zu negieren. Wo kommt er her? Und was ist das weiße Ding, das da auf ihm liegt?
    »Eine Mitteilung«, sagt sie und steht auf. Sie legt die kurze Entfernung zwischen Schaukelstuhl und Küchentisch wie jemand zurück, der noch träumt. Die Mitteilung besteht aus einem einmal gefalteten Stück Papier. Auf der Hälfte, die sie sehen kann, liest sie Sweet Judy Blue Eyes . Im College, kurz vor ihrer ersten Begegnung mit Fred, hatte sie einen Freund,
der sie so nannte. Sie bat ihn, damit aufzuhören – es war ärgerlich, abgeschmackt -, aber weil er’s immer wieder vergaß (absichtlich, wie sie vermutete), gab sie ihm schnellstens den Laufpass. Hier ist er wieder, dieser dämliche Spitzname, und verspottet sie.
    Judy dreht den Wasserhahn am Ausguss auf, ohne den Zettel aus den Augen zu lassen, füllt ihre gewölbte Hand mit kaltem Wasser und trinkt. Als ein paar Tropfen auf Sweet Judy Blue Eyes fallen, ist der Name sofort verschmiert. Mit Füllertinte geschrieben? Wie altmodisch! Wer schreibt heutzutage noch mit einem Füller?
    Sie greift nach dem Zettel, zieht die Hand dann aber wieder zurück. Das Geräusch aus dem Korb ist jetzt lauter. Es ist ein Summen. Das sind …
    »Das sind Fliegen«, sagt sie. Das Wasser hat ihre Kehle erfrischt, und ihre Stimme ist nicht mehr so krächzend, aber in Judys Ohren klingt sie weiterhin wie die der Krähe Gorg. »Du weißt, wie Fliegen summen.«
    Nimm den Zettel.
    Will aber nicht.
    Ja, aber du musst ! Los, nimm ihn! Wo ist dein Mumm geblieben, du kleiner Hosenscheißer?
    Gute Frage. Verdammt gute Frage. Judys Zunge kommt zum Vorschein, wischt über die Oberlippe und die Rinne in der Mitte. Dann greift Judy nach dem Zettel und faltet ihn auseinander.
     
    Tut mir leid, dass ich blos eine Niere schicken kann.
    Die andre hab ich gebraten und gegessen. Sie war sehr gut!
    Der Fisherman
     
    Judy Marshalls Finger, Handflächen, Handgelenke und Unterarme werden schlagartig gefühllos. Sie wird so leichenblass, dass die blauen Adern durch die Wangen schimmern. Es grenzt an ein Wunder, dass sie nicht ohnmächtig zusammenklappt. Der Zettel gleitet ihr aus den Fingern und segelt schaukelnd zu Boden. Während sie immer wieder den Namen ihres Sohnes kreischt, schlägt sie den Deckel des Fischkorbs zurück.
    Vor ihr liegen glänzend rote Eingeweideschlingen, auf denen
es von Fliegen wimmelt. Sie sieht die faltigen Säcke der Lungenflügel und die faustgroße Pumpe, die einmal ein Kinderherz war. Sie sieht

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