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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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mindestens zwei Jahren, wann ihr intelligenter und nachdenklicher Sohn es endlich satt haben wird, mit solch einer Bande von Versagern rumzuhängen … mit »Minderbemittelten«, wie Judy sie nennt.)
    »Knutsch’ne Elfe«, sagt Ty unglücklich – diesen harmlos vulgären Ausdruck hat er vom Sci-Fi Channel aufgeschnappt, der gerade in Wiederholung die Miniserie Das zehnte Königreich zeigt – und steigt von seinem Rad ab. Er braucht nicht hinter ihnen herzurasen; er weiß ohnehin, wo er sie finden wird: auf dem Parkplatz vom 7-Eleven, wo sie Eis-Slurpees lutschen und Magic Cards tauschen. Das ist ein weiteres Problem, das Tyler mit seinen Freunden hat. Heutzutage würde er viel lieber Baseballkarten tauschen, aber Ebbie, Ronnie und T. J. machen sich absolut nichts aus den Cardinals, den Indians, den Red Sox und der Brew Crew. Ebbie hat sich sogar zu der Behauptung verstiegen, Baseball sei schwul – eine Aussage, die Ty weniger für empörend, als für dumm (fast Mitleid erregend) hält.
    Er schiebt sein Rad langsam den Gehsteig entlang und kommt dabei allmählich wieder zu Atem. Vor ihm kreuzen sich die Chase und die Queen Street. Ebbie nennt letztere immer Queer Street oder Schwuli-Straße. Natürlich. Keine Überraschung. Und ist das nicht ein großer Teil des Problems? Tyler ist ein Junge, der Überraschungen liebt; Ebbie Wexler dagegen ist ein Junge, der offenbar keine mag. Das macht auch ihre gegensätzlichen Reaktionen auf die Musik, die sie vorhin aus dem Pickup gehört haben, völlig voraussagbar.
    Tyler bleibt an der Ecke stehen und blickt die Queen Street entlang. Sie ist auf beiden Seiten von buschigen Hecken gesäumt. Über der rechten ragen mehrere verschachtelte Dächer auf. Das Heim für alte Leute. Am Haupteingang ist irgendein
Plakat angebracht. Tyler schwingt sich neugierig wieder auf sein Rad und fährt langsam den Gehsteig entlang, um es sich näher anzusehen. Die längeren Zweige der Hecke neben ihm streifen leise zischend seine Lenkstange.
    Das Plakat verkündet in einem fröhlichen Wirbel aus handgemalten Ballonen: HEUTE IST ERDBEERFEST!!! Was, fragt Ty Marshall sich, ist das eigentlich, ein Erdbeerfest? Eine Party, eine Veranstaltung nur für alte Leute? Das ist wohl eine Frage, aber wiederum auch keine sonderlich interessante. Nachdem er einige Sekunden lang darüber nachgedacht hat, dreht er mit dem Rad um und will zur Chase Street zurückfahren.
     
    Charles Burnside betritt die Herrentoilette am Ende des Korridors im Daisy-Trakt – noch immer grinsend und mit Butchs Lieblingsstein in der Hand. Rechts ist eine Reihe Waschbecken mit jeweils einem Spiegel darüber – Metallspiegel von der Art, wie man sie auf den Toiletten drittklassiger Bars und Saloons findet. In einem davon erblickt Burny das eigene grinsende Spiegelbild. In einem anderen, jenem, der dem Fenster am nächsten ist, sieht er einen kleinen Jungen in einem T-Shirt der Milwaukee Brewers. Der Junge steht mit seinem Fahrrad zwischen den Beinen unmittelbar vor dem Haupteingang und liest das Einladungsplakat zum Erdbeerfest.
    Burny beginnt zu sabbern. Allerdings nicht auf zurückhaltende Art. Burny sabbert buchstäblich wie der Wolf im Märchen, weiße Fäden aus schaumigem Speichel tropfen ihm aus den Mundwinkeln und quellen über die schlaffe, leberbraune Rundung seiner Unterlippe. Der Sabber läuft ihm wie ein blasiger Strom aus Seifenlauge übers Kinn. Er wischt ihn sich achtlos mit dem Rücken einer knotigen Hand ab und schlenzt ihn auf den Fußboden, ohne den Spiegel eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Der Junge im Spiegel gehört nicht zu den armen verirrten Kleinen dieses Ungeheuers – Ty Marshall hat sein gesamtes bisheriges Leben in French Landing verbracht und weiß genau, wo er ist -, aber er könnte einer von ihnen sein. Er könnte sich sehr leicht verirren und in einem bestimmten Raum enden. In einer bestimmten Zelle. Oder sich auf brennenden, blutenden Füßchen zu einem unbekannten Horizont dahinschleppen.

    Vor allem, wenn Burny seinen Willen bekommt. Er wird sich beeilen müssen, aber wie wir schon gesehen haben, kann Charles Burnside sich bei entsprechender Motivation in der Tat sehr flink bewegen.
    »Gorg«, sagt er zu dem Spiegel. Er spricht dieses unsinnige Wort völlig deutlich im nüchternen Tonfall eines Mannes aus dem Mittleren Westen aus. »Komm, Gorg.«
    Und ohne zu warten, um zu sehen, was als Nächstes kommt – er weiß genau, was als Nächstes kommt -, wendet Burny sich ab und geht auf die

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