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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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aber bald.«
    »Wer?«
    »Oberst Anatoli Grischin.«
    Gunajew zuckte wegwerfend die Achseln.
    »Kennen Sie ihn?« fragte Monk.
    »Ich weiß von ihm.«
    »Und was Sie wissen, gefällt Ihnen?«
    Gunajew zuckte wieder die Achseln. »Er macht, was er macht. Ich mache, was ich mache.«
    »Wenn Sie in Amerika verschwinden müßten«, erklärte Monk »könnte ich Sie verschwinden lassen. Aber das ist nicht meine Stadt, nicht mein Land. Können Sie mich in Moskau verschwinden lassen?«
    »Kurzfristig oder auf Dauer?«
    Monk lachte. »Kurzfristig wäre mir lieber.«
    »Natürlich kann ich das. Das wollen Sie also?«
    »Um am Leben zu bleiben, ja. Und ich möchte gern am Leben bleiben.«
    Gunajew stand auf und wandte sich an seine drei Bandenmitglieder. »Dieser Mann hat mir das Leben gerettet. Jetzt ist er mein Gast. Keiner kommt ihm zu nahe. Solange er hier ist, ist er einer von uns.«
    Die drei Ganoven umringten Monk, schüttelten ihm die Hand, grinsten, stellten sich vor. Aslan, Magomed, Scharif.
    »Hat die Jagd auf Sie schon begonnen?« fragte Gunajew.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Sie müssen Hunger haben. Das Essen hier ist erbärmlich. Wir fahren in mein Büro.«
    Wie alle Mafiachefs hatte der Führer des Tschetschenenclans zwei verschiedene Persönlichkeiten. Für die Öffentlichkeit trug er die Maske des überaus erfolgreichen
biznizman,
der ungefähr zwanzig profitable Unternehmen kontrolliert. Gunajews Spezialgebiet waren Immobilien.
    In den ersten Jahren hatte er einfach erstklassige Erschließungsgrundstücke erworben und sich zu diesem Zweck eines schlichten Mittels bedient: Er bestach oder erschoß die Beamten, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus über den öffentlichen Verkauf dieser Grundstücke verfügten.
    Nachdem die Grundstücke in seinen Besitz übergegangen waren, machte sich Gunajew die Welle kooperativer Bauvorhaben zwischen russischen Industriemagnaten und ihren westlichen Partnern zunutze. Gunajew stellte die Grundstücke und garantierte streikfreie Arbeit, während die Amerikaner und Westeuropäer ihre Büroblocks und Wolkenkratzer hochzogen. Die Eigentumsrechte lagen bei beiden Teilhabern, die auch die Mieten und Gewinne aus den Büroblocks einstrichen.
    Durch ähnliches Vorgehen übernahm der Tschetschene die Kontrolle über die sechs führenden Hotels der Stadt und dehnte seine Geschäftstätigkeit auf Stahl, Beton, Holz, Ziegel und Glasuren aus. Wer renovieren, umbauen oder bauen wollte, hatte es mit einer Firma im Besitz von Umar Gunajew zu tun.
    Das war das öffentliche Gesicht der tschetschenischen Mafia. Die weniger sichtbare Seite der Geschäfte spielte sich wie bei allen Moskauer Banden im Bereich Schwarzmarkt und Unterschlagung ab.
    Bodenschätze des russischen Staates wie Gold, Diamanten, Gas und Öl wurden vor Ort mit Rubel zum offiziellen Umtauschkurs und selbst da zu halsabschneiderischen Preisen erworben. Die »Verkäufer« waren Beamte, die man problemlos bestechen konnte. Danach wurden die Bodenschätze im Export für Dollar, Pfund oder Mark zu Weltmarktpreisen verkauft.
    Einen Bruchteil des so verdienten Geldes konnte man wieder importieren und zum inoffiziellen Kurs in Unsummen von Rubel umtauschen, mit denen man die nächste Ladung und die nötigen Schmiergelder bezahlte. Ungefähr achtzig Prozent des Exportumsatzes waren Reingewinn.
    In der Anfangszeit wollten sich einige Staatsbeamte und Bankiers nicht in den Gang der Dinge fügen und verweigerten die Kooperation. Die erste Warnung erfolgte mündlich, die zweite zog einen orthopädischen Eingriff nach sich, und die dritte war endgültig. Der Nachfolger eines Staatsdieners, der einen vorzeitigen Abgang gemacht hatte, begriff die Spielregeln meist sehr schnell.
    Ende der neunziger Jahre war Gewaltanwendung gegen Beamte oder Juristen kaum noch nötig, aber gleichzeitig bedeutete die Zunahme der Privatarmeen für jeden Unterweltboß, daß er all seinen Rivalen im Notfall gewachsen sein mußte. Keine der anderen Gruppen von Gewalttätern konnte es an Schnelligkeit und Unerschrockenheit mit den Tschetschenen aufnehmen, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellte.
    Ende 1994 trat ein neuer Faktor in die Gleichung. Kurz vor Weihnachten begann Boris Jelzin seinen unglaublich dummen Krieg gegen Tschetschenien mit der offiziellen Begründung, den abtrünnigen Präsidenten Dudajew vertreiben zu wollen, der für seine Heimat die Unabhängigkeit forderte. Hätte es sich nur um eine schnelle chirurgische Operation gehandelt, hätte

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