Das schwarze Manifest
vielleicht drei. Wenn ich mich in der Stadt bewege, werde ich bestimmt Spuren hinterlassen. Die Leute reden.«
»Schön. Ich gebe Ihnen vier Leute. Sie werden Ihnen den Rücken freihalten und Sie von Ort zu Ort bringen. Den Anführer kennen Sie bereits. Auf dem Vordersitz des Volvo, Magomed. Er ist ein guter Mann. Geben Sie ihm ab und zu eine Liste mit Dingen, die Sie brauchen. Wir werden sie besorgen. Trotzdem meine ich immer noch, daß Sie verrückt sind.«
Um Mitternacht war Monk wieder in seinem Zimmer im Metropol. Am Ende des Gangs bei den Aufzügen gab es einen offenen Bereich. Dort standen vier Clubsessel aus Leder. Zwei davon waren von schweigenden Männern besetzt, die Zeitung lasen und die ganze Nacht nichts anderes tun würden. Am frühen Morgen wurden zwei Koffer auf Monks Zimmer gebracht.
Die meisten Moskowiter und praktisch alle Ausländer glauben, daß der Patriarch der russischorthodoxen Kirche in einer luxuriösen Suite tief im Herzen des mittelalterlichen Danilowski-Klosters residiert, einem Komplex aus Abteien und Kathedralen mit zinnenbewehrten Mauern.
Dies ist die gängige Meinung, und sie wird sorgsam kultiviert. Tatsächlich übt der Patriarch in einem der großen Gebäude innerhalb des Klosters, streng bewacht von treu ergebenen Kosaken, sein Amt aus, das das Herz des Patriarchats von Moskau und aller Russenländer bildet. Aber er lebt nicht dort.
Er lebt in einem bescheidenen Stadthaus in der Tschisti Pereulok 5. Diese »Saubere Gasse« ist eine enge Seitenstraße am Rande des Stadtzentrums.
Hier wird er von klerikalem Personal versorgt, bestehend aus einem Privatsekretär, einem Kammerdiener, zwei Dienern und drei Nonnen, die kochen und saubermachen. Ein Chauffeur steht auf Abruf bereit, und zwei Kosaken halten Wache. Der Gegensatz zur Prachtentfaltung im Vatikan oder im Palast des Patriarchen der griechischorthodoxen Kirche könnte nicht größer sein.
Im Winter 1999 war immer noch Seine Heiligkeit Alexei II. Inhaber des Amts, in das er zehn Jahre zuvor, kurz vor dem Fall des Kommunismus, gewählt worden war. Der damals knapp über Fünfzigjährige wurde zum Erben einer von innen demoralisierten und zerrütteten und von außen verfolgten und korrumpierten Kirche.
Schon in den frühesten Revolutionstagen erkannte Lenin, der den Priesterstand verachtete, daß der Kommunismus im Kampf um die Gunst der großen Masse der russischen Bauern nur eine ernsthafte Rivalin hatte, und sie wollte er vernichten. Durch systematische Brutalität und Korruption wäre es ihm und seinen Nachfolgern auch fast gelungen.
Aber selbst Lenin und Stalin schreckten vor der vollkommenen Auslöschung der Priesterschaft und der Kirche zurück, weil sie einen für das NKWD unkontrollierbaren Rückschlag befürchteten. Nach den ersten Pogromen, bei denen Kirchen niedergebrannt, ihre Schätze geraubt und Priester aufgehängt wurden, verlegte sich das Politbüro darauf, die Kirche durch Diskreditierung zu untergraben.
Dazu bediente man sich zahlreicher Maßnahmen. Intelligente Bewerber wurden aus den Priesterseminaren verbannt, die vom NKWD und später vom KGB überwacht wurden. Nur noch dumpfe, phantasielose Anwärter aus der Peripherie der UdSSR, aus Moldawien im Westen und Sibirien im Osten, wurden zugelassen. Das Bildungsniveau wurde niedrig gehalten, und die Qualität des Priesteramts verfiel.
Die meisten Kirchen wurden einfach geschlossen und verrotteten. Nur wenige blieben geöffnet und wurden vor allem von Armen und Alten besucht, die ohnehin niemandem etwas anhaben konnten. Die amtierenden Priester mußten regelmäßig dem KGB berichten und sagten als Informanten gegen die Mitglieder ihrer Gemeinde aus.
Ein junger Mensch, der die Taufe wollte, wurde von dem Priester, an den er sich gewandt hatte, angezeigt. Danach verlor er seinen Platz an der Oberschule und seine Chance auf ein Studium, und seine Eltern wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit aus ihrer Wohnung vertrieben. Praktisch nichts blieb dem KGB verborgen. Der gesamte Klerus und selbst unbeteiligte Priester gerieten beim Volk in Verdacht.
Die Kommunisten arbeiteten mit Zuckerbrot und Peitsche, einem vergifteten Zuckerbrot und einer lähmenden Peitsche.
Verteidiger der Kirche verweisen auf die drohende Ausrottung der Kirche und sehen in der Tatsache, daß sie überhaupt am Leben blieb, einen Faktor, der viel schwerer ins Gewicht fällt als ihre Erniedrigung.
Der sanftmütige, scheue und zurückhaltende Alexei II. erbte daher ein tief in die
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