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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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mußte er das Verzeichnis herausrücken. Nummer 52 hieß Wasili und lebte in einem Vorort.
    Nachdem der Anführer dem Geschäftsführer klargemacht hatte, daß ein Anruf bei Wasili seinen Umzug in eine längliche Holzkiste zur Folge haben würde, riß er einen Stoß Seiten aus dem Buch und zog mit seinen Mannen ab.
    Der Geschäftsführer betastete vorsichtig seinen Kopf und schluckte ein Aspirin. An Wasili dachte er nebenbei auch: Wenn der Mann so blöd war und tatsächlich diese Burschen da übers Ohr gehauen hatte, dann verdiente er auch ihren Besuch. Keine Frage, entweder hatte er einem cholerischen Fahrgast zuwenig Wechselgeld herausgegeben, oder er hatte dessen Freundin nicht höflich genug behandelt. Aber so war nun mal das Moskau des Jahres 1999. Da konnte es nur heißen: sich mit bewaffneten Gangstern anlegen oder überleben. Der Geschäftsführer wollte lieber leben. Er schloß wieder auf und kehrte an seinen Schreibtisch zurück.
    Als es klingelte, saß Wasili gerade am Mittagstisch: Würstchen und Schwarzbrot. Sekunden später kam seine Frau mit aschfahlem Gesicht ins Wohnzimmer zurück. Ihr folgten zwei Männer. Beide trugen schwarze Kapuzenmasken und Pistolen. Wasili klappte der Mund auf, und ein Stück Wurst fiel heraus. »Bitte, ich bin ein armer Mann, ich habe kein.«, stammelte er.
    »Halt's Maul!« herrschte ihn einer der beiden an, während sein Kumpan die Frau auf einen Stuhl drückte.
    Der Mann hielt Wasili einen Fetzen Papier unter die Nase. »Bist du der Fahrer Nummer 52 beim Zentralen Taxidienst?«
    »Ja, aber ich habe ehrlich kein.«
    Ein mit einem schwarzen Handschuh bekleideter Finger deutete auf eine bestimmte Zeile. »Vor zwei Tagen. Eine Fahrt in die Tschisti Pereulok. Kurz vor Mitternacht. Wer war das?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    »Spiel nicht den Schlaumeier, Freundchen, oder ich schieße dir die Eier weg. Denk nach!«
    Wasili überlegte fieberhaft. Ohne Erfolg.
    »Ein Priester?« half der Mann mit der Pistole nach.
    »Richtig! Jetzt fällt es mir wieder ein! Tschisti Pereulok, eine kleine Seitenstraße. Ich mußte im Stadtplan nachschauen. Ich mußte noch zehn Minuten warten, bis sie ihn reinließen. Dann erst zahlte er, und ich fuhr weg.«
    »Beschreibung.«
    »Mittelgroß, normale Figur. Ende Vierzig. Ein Priester eben. Mensch, die sehen doch alle gleich aus. Halt, Moment! Er hatte keinen Bart.«
    »Ein Ausländer?«
    »Das glaube ich nicht. Er sprach ganz normal russisch.«
    »Hast du ihn vorher schon mal gesehen?«
    »Nein.«
    »Und danach?«
    »Auch nicht. Ich habe ihm angeboten, ihn wieder abzuholen, aber er wußte nicht, wie lange er bleiben würde. Hört doch, wenn ihm was passiert ist, habe ich nichts damit zu tun. Ich habe ihn doch bloß zehn Minuten lang gefahren.«
    »Eine letzte Frage noch. Von wo aus?«
    »Vom Metropol aus natürlich. Da stehe ich immer, wenn ich Nachtschicht habe.«
    »Ist er über die Straße gekommen oder aus dem Hotel?«
    »Aus dem Hotel.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich war der erste in der Reihe und stand vor dem Taxi. Man muß höllisch aufpassen, sonst wartet man eine Stunde lang, und dann nimmt einem plötzlich so ein Arschloch, das noch gar nicht dran wäre, den Stich weg. Ich hielt also nach Touristen Ausschau, als er rauskam. Schwarzer Popenhut, schwarze Soutane. Ich weiß noch, was ich mir in dem Moment gedacht habe: ›Was will denn ein Priester an so einem Ort?‹ Dann hat er geschaut, wo das erste Taxi steht, und ist auf mich zugesteuert.«
    »Allein? Oder in Begleitung?«
    »Allein.«
    »Hat er einen Namen angegeben?«
    »Nein. Nur die Adresse, zu der er wollte. Hat bar mit Rubel bezahlt.«
    »Ein Gespräch?«
    »Kein Wort. Er sagte mir nur, wohin er wollte, und dann schwieg er. Als wir da waren, sagte er: ›Warten Sie hier.‹ Nach zehn Minuten kam er von der Pforte zurück und fragte: ›Wieviel?‹ Das war alles. Ich schwöre euch, daß ich ihn nicht einmal berührt.«
    »Guten Appetit noch«, knurrte sein Peiniger und drückte sein Gesicht in die Wurst. Dann zogen sie ab.
    Oberst Grischin nahm den Rapport regungslos zur Kenntnis. Das Ganze konnte genausogut nichts zu bedeuten haben. Gut, der Mann hatte das Metropol um halb zwölf verlassen. Vielleicht war er dort abgestiegen, vielleicht hatte er jemanden besucht. Womöglich war er nur durchgegangen und vorne herausspaziert. Eine Überprüfung war die Sache in jedem Fall wert.
    Grischin hatte in der Zentrale der Moskauer Miliz eine ganze Reihe informeller Mitarbeiter. Der

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