Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
ranghöchste davon war Generalmajor im Präsidium, der zuverlässigste arbeitete im Archiv. Für diesen Auftrag konnte er aber weder ein hohes Tier noch einen verstaubten Aktenwühler gebrauchen. Darum ließ er den dritten Kandidaten, Inspektor Dmitri Borodin vom Morddezernat, kommen.
    Der Inspektor betrat das Hotel bei Sonnenuntergang und verlangte den Geschäftsführer zu sprechen, einen Österreicher, der seit acht Jahren in Moskau arbeitete.
    »Mordkommission?« fragte der Mann besorgt, als er die Dienstmarke sah. »Ist etwa einem unserer Gäste etwas zugestoßen?«
    »Nicht, daß ich wüßte«, beruhigte ihn Borodin. »Eine reine Routineangelegenheit. Ich müßte nur die Gästeliste von vorvorgestern nacht einsehen.«
    Der Chefportier ging in sein Büro und holte die Informationen auf den Computerbildschirm. »Soll ich es Ihnen ausdrucken?«
    »Ja, bitte. Papier ist mir lieber.«
    Als er die Liste hatte, ging Borodin die Spalten durch. Unter den sechshundert Gästen war nur ein Dutzend Russen. Der Rest verteilte sich auf Westeuropäer, Amerikaner und Kanadier. Normalerweise konnten sich nur Touristen und Geschäftsleute ein Zimmer im Metropol leisten. Ein Priester war nicht dabei. Doch Borodin war eingeschärft worden, vor allem Geistliche zu identifizieren.
    »Haben Sie keinen Priester der orthodoxen Kirche unter Ihren Gästen?« fragte er.
    Der Österreicher starrte ihn verblüfft an. »Soviel ich weiß, nein. Ich meine, niemand hat sich als Geistlicher eingetragen.«
    Borodin überflog noch einmal die Liste. Ohne Erfolg. »Ich werde sie mitnehmen müssen«, sagte er.
    Der Geschäftsführer war vor allem froh, daß er ging.
    Erst am nächsten Vormittag fand Oberst Grischin Zeit, die Liste zu studieren. Als ihm kurz nach zehn ein Hausdiener seinen Kaffee ins Büro brachte, fand er den Sicherheitschef der UPK leichenblaß und am ganzen Leib zitternd vor.
    Er fragte schüchtern, ob dem Oberst etwas fehle, wurde jedoch mit einer ungeduldigen Geste hinausgescheucht. Als er allein war legte Grischin die Hände auf die Tischplatte und versuchte das Zittern mit Willenskraft abzustellen. Tobsuchtsanfälle waren ihm nichts Fremdes, und wenn ihn die Wut packte, verlor er leicht die Beherrschung.
    Der Name stand auf der dritten Seite des Ausdrucks: Dr. Philip Peters, Privatgelehrter aus den USA.
    Er kannte den Namen. Seit zehn Jahren schon. Zweimal hatte er damals in den Verzeichnissen über sämtliche ins Land eingereiste Touristen und Geschäftsleute nach ihm gesucht. Die Abteilung Einreise- und Visaangelegenheiten innerhalb der alten Zweiten Hauptverwaltung hatte routinemäßig vom Außenministerium eine Kopie des jeweils neuesten Verzeichnisses erhalten und sie ihm auf Verlangen zur Verfügung gestellt. Zweimal war er damals auf diesen Namen gestoßen. Zweimal hatte er den Antrag kommen lassen und das Paßfoto angestarrt: die dichten grauen Locken, die getönte Brille für schwache Augen, die alles andere waren als das.
    In den Zellen des Lefortowo-Gefängnisses hatte er diese Fotos Kruglow und Professor Blinow unter die Nase gehalten, und sie hatten bestätigt, daß das der Mann war, den sie heimlich in der Toilette des Museums für orientalische Kunst und in der Kathedrale von Wladimir getroffen hatten.
    Sehr viel öfter als zweimal hatte er sich geschworen, sämtliche offenen Rechnungen zu begleichen, sollte der Mann, der dieses Gesicht hatte und dieses Pseudonym benutzte, je nach Rußland zurückkehren.
    Und jetzt war er wieder da. Zehn Jahre danach erdreistete sich der Kerl doch tatsächlich, in das von ihm, Anatoli Grischin, beherrschte Territorium einzudringen, und glaubte in seiner Arroganz auch noch, er könne ungestraft davonkommen. Eine Beleidigung sondergleichen war das!
    Er ging zum Aktenschrank hinüber und suchte ein altes Dossier heraus. Als er es gefunden hatte, entnahm er ihm eine Porträtaufnahme, die Vergrößerung eines Fotos, das Aldrich Ames einmal geliefert hatte. Nach der Auflösung des
Monach-
Komitees hatte es ihm ein Kontaktmann aus der Ersten Hauptverwaltung als Souvenir geschenkt. Mehr Verhöhnung als Souvenir. Gleichwohl hatte er es wie einen Schatz aufbewahrt.
    Das Gesicht war heute gewiß nicht mehr so jung wie damals, aber der offene Blick war wohl der gleiche geblieben. Das blonde Haar war zerzaust. Auch ohne grauen Schnauzer und getönte Brille war es dasselbe Gesicht wie auf dem Visumantrag, das Gesicht von Jason Monk als junger Mann.
    Grischin tätigte zwei Anrufe, die keinen

Weitere Kostenlose Bücher