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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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auf hundert Schritt an die Männer heran.
    »Sie wissen, daß wir beschattet werden?« fragte Vincent beiläufig.
    »Zwei Männer vor uns, zwei hinter uns, ein Wagen im Kriechtempo auf der anderen Straßenseite«, sagte Sir Nigel.
    »Ich bin beeindruckt, Sir.«
    »Mein lieber Junge, ich mag ja alt und grau sein, aber ich will doch hoffen, daß ich es noch merke, wenn ich derart auffällig und ungeschickt verfolgt werde.«
    Aufgrund ihrer allgewaltigen Macht hatte sich die alte Zweite Hauptabteilung selten unauffällig durch die Straßen Moskaus bewegen müssen. Im Gegensatz zum FBI in Washington oder zum MI5 in London hatte man dort auch niemals aus der Kunst des unsichtbaren Beschattens einen Kult entwickelt.
    Nachdem sie die illuminierte Pracht des Bolschoitheaters und dann das kleinere Malytheater passiert hatten, näherten sich die beiden Spaziergänger einer engen Nebenstraße, der Theatergasse.
    Kurz vor der Abzweigung befand sich ein Türeingang, vor dem ein Bündel Lumpen lag und trotz beißender Kälte zu schlafen versuchte. Sir Nigel blieb stehen.
    Vor und hinter ihm taten die Schwarzen Gardisten, als betrachteten sie aufmerksam einige leere Schaufenster.
    Das Bündel im Türeingang, der von den Straßenlampen nur schwach erhellt wurde, regte sich und blickte auf. Der Mann war nicht betrunken, er war nur alt, das Gesicht unter der Wollmütze müde, verkniffen und von den Jahren der Arbeit und der Entbehrung gezeichnet. Am Revers des zerschlissenen Mantels hing eine Anzahl verblichener Ordensbänder. Zwei tiefliegende, erschöpft dreinblickende Augen sahen zu dem Ausländer auf.
    Als Nigel Irvine in Moskau stationiert gewesen war, hatte er sich die Zeit genommen, russische Orden zu studieren. Ein Band in der fleckigen Reihe erkannte er wieder.
    »Stalingrad?« fragte er leise. »Sie waren in Stalingrad?«
    Der greise, in Wolle gepackte Kopf nickte langsam.
    »Stalingrad«, krächzte der Alte.
    Er konnte damals, im eisigen Winter 42, höchstens zwanzig gewesen sein, als er gegen die Sechste Armee von Paulus gekämpft und jeden Stein und jeden Keller der Stadt an der Wolga verteidigt hatte.
    Sir Nigel kramte in seiner Hosentasche herum und zog einen Geldschein heraus. Fünfzig Millionen Rubel, etwa dreißig amerikanische Dollar.
    »Essen«, sagte er auf russisch, »heiße Suppe. Ein Gläschen Wodka. Für Stalingrad.«
    Er richtete sich auf und ging rasch und wütend davon. Vincent folgte ihm eilig. Ihre Beschatter lösten sich von den Schaufenstern und nahmen die Verfolgung wieder auf.
    »Gütiger Himmel, was ist bloß aus ihnen geworden?« sagte er halblaut vor sich hin und bog in die Gasse ein.
    Grischins Funkgerät knackte, als einer der Beschatter in seiner Handgerät sprach.
    »Sie sind abgebogen. Sie gehen ins Restaurant.«
    Das Silver Age ist ebenfalls eines dieser traditionellen altrussischen Restaurants und liegt in einer verwinkelten Gasse hinter den Theatern. Früher war es einmal das zentralrussische Bad gewesen, die Wände gefliest und mit Mosaiken ländlicher Szenen aus längst vergangenen Tagen bedeckt. Als die beiden Gäste eintraten, schlug die warme Luft wie eine Welle über ihnen zusammen.
    Das Restaurant war gut besucht, nahezu alle Tische waren besetzt. Der Chefkellner eilte ihnen entgegen.
    »Tut mir leid, meine Herren, wir sind ausgebucht«, sagte er auf russisch. »Eine geschlossene Gesellschaft. Tut mir wirklich leid.«
    »Da ist doch noch ein freier Tisch«, antwortete Vincent in derselben Sprache. »Schauen Sie, da hinten.«
    An der rückwärtigen Wand stand tatsächlich ein freier, für vier Personen gedeckter Tisch. Der Kellner sah bestürzt drein. Er wußte daß die beiden Touristen Ausländer waren und wahrscheinlich in Dollar zahlen würden.
    »Da muß ich den Gastgeber fragen«, sagte er und hastete davon. Er sprach einen attraktiven Mann mit olivenfarbener Haut an, der von Freunden umgeben am größten Tisch im Saal saß. Der Mann betrachtete die beiden Fremden nachdenklich und nickte dann.
    Der Chefkellner kam zurück.
    »Er hat eingewilligt. Bitte folgen Sie mir.«
    Sir Nigel Irvine und Vincent setzten sich Seite an Seite auf die Bank an der Wand. Irvine sah zu dem Mann hinüber und nickte dem Gastgeber des Festes dankend zu. Der Mann nickte zurück.
    Sie bestellten Ente in Kranichbeerensoße und ließen sich vom Kellner einen Rotwein der Krim vorschlagen, der im Geschmack ein wenig an Bull's Blood erinnerte.
    Draußen ließ Grischin die Gasse durch vier seiner Soldaten

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