Das schwarze Manifest
die Vergewaltigung Tschetscheniens in den folgenden beiden Jahren. Nach zehn Minuten war der Kampf entschieden.
Die Duma, das Weiße Haus, war den Söldnern der »Sicherheitsfirmen« nahezu kampflos in die Hände gefallen, da sich dort nur einige Hausmeister und Nachtwächter aufgehalten hatten. Doch am Starajaplatz kämpften die tausend Soldaten der SOBR-Truppen um jedes Zimmer, jede Straße gegen die übrigen Männer der zweihundert »Sicherheitsfirmen«. Die schweren Waffen der Schnellen Eingreiftruppen der Antimafiaeinheiten wogen die größere Anzahl ihrer Gegner auf.
Das Kommando Wimpel traf am Flughafen Khodinka auf den unerwartet heftigen Widerstand der wenigen Fallschirmspringer und Nachrichtenoffiziere der GRU, die gerade noch rechtzeitig gewarnt worden waren und sich verbarrikadiert hatten.
Monk bog auf den Arbatplatz ein und hielt verblüfft an. Auf der Ostseite des weiten Dreiecks lag still und verlassen der graue Granitblock des Verteidigungsministeriums. Keine Schwarze Garde, keine Feuergefechte, kein Zeichen von gewaltsamem Eindringen. Unter allen Institutionen, die jeder, der einen Staatsstreich plant – ob nun in Moskau oder einer anderen Hauptstadt –, zuallererst einnehmen muß, sollte das Verteidigungsministerium ganz oben auf der Liste stehen. Aus kaum zweihundert Meter Entfernung hörte er aus der Snamenkastraße und über den Borowitskiplatz das Knattern von Gewehrsalven vom Kampf um den Kreml.
Warum war das Verteidigungsministerium nicht eingenommen worden? Warum wurde es nicht belagert? Der Antennenwald auf dem Dach des Gebäudes schrie doch sicherlich seine Hilferufe über Rußland aus und flehte die Armee um Unterstützung an. Er sah in seinem schmalen Adreßbuch nach und tippte eine Nummer in sein Autotelefon.
Hundert Meter hinter dem Haupttor des Stützpunkts Kobjakowa schob Generaloberst Mischa Andrejew in seinem Privatquartier seinen Schlips zurecht und machte sich ausgehfertig. Er hatte sich schon oft gefragt, warum er seine Uniform anzog, um am Silvesterabend den Vorsitz im Offiziersklub zu übernehmen. Am nächsten Morgen würde sie so verdreckt sein, daß er sie in die Reinigung schicken mußte. Doch seine Panzeroffiziere waren stolz darauf, sich von niemandem dreinreden zu lassen, wenn es um ihre Silvesterfeier ging.
Das Telefon klingelte. Das war sicherlich sein Erster Offizier, der ihn zur Eile ermahnen und daran erinnern würde, daß die Jungs endlich zulangen wollten, erst beim Wodka während der endlosen Trinksprüche, dann beim Essen und um Mitternacht beim Champagner.
»Ich komme ja schon«, sprach er ins leere Zimmer und griff nach dem Hörer.
»General Andrejew?« Die Stimme war ihm unbekannt.
»Ja.«
»Sie kennen mich nicht. Ich war gewissermaßen ein Freund Ihres verstorbenen Onkels.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Er war ein guter Mann.«
»Das denke ich auch.«
»Er hat getan, was er tun konnte, um Komarow in seinem Interview anzuschwärzen.«
»Worauf wollen Sie hinaus, wer immer Sie auch sind?«
»Igor Komarow unternimmt in Moskau einen Staatsstreich. Heute nacht. Angeführt von seinem Leithund Oberst Grischin. Die Schwarze Garde erobert Moskau und damit auch Rußland.«
»Na schön, der Spaß hat lang genug gedauert. Jetzt greifen Sie wieder zur Wodkaflasche, und verschwinden Sie aus dieser Leitung.«
»Wenn Sie mir nicht glauben wollen, General, dann rufen Sie doch irgendeinen Ihrer Bekannten in der Moskauer Innenstadt an.«
»Warum sollte ich?«
»Weil auf den Straßen die Hölle los ist. Die halbe Stadt kann die Schießerei hören. Und noch eins. Onkel Kolja wirde von der Schwarzen Garde umgebracht. Auf Befehl von Oberst Grischin.«
Mischa Andrejew starrte verblüfft auf das Telefon und hörte auf den Summton des Freizeichens. Er war wütend. Wütend, weil jemand über seinen Privatanschluß seine Privatsphäre verletzt hatte, wütend über die Beleidigung seines Onkels. Wenn in Moskau etwas Entscheidendes geschah, dann hätte das Verteidigungsministerium längst sämtliche ArmeeEinheiten in einem Radius von hundert Kilometern um die Hauptstadt in Alarmbereitschaft versetzt.
Das zweihundert Morgen große Kasernengelände lag nur sechsundvierzig Kilometer vom Kreml entfernt; er wußte das, weil er selbst einmal die Strecke mit seinem Wagen ausgemessen hatte. Außerdem lag hier die Einheit, die sein ganzer Stolz war, die Tamanskaja, eine Elitedivision von Panzersoldaten, bekannt als Taman-Garde.
Er legte den Hörer wieder auf. Im selben
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