Das schwarze Manifest
lange.«
»Zu lange. Nicht schnell genug.«
Monk holte tief Luft. Jeder direkte Anwerbeversuch ist gefährlich. In westlichen Demokratien hat ein loyaler Sowjetbürger, der so angesprochen worden ist, das Recht, sich bei seinem Botschafter zu beschweren. Daraus kann ein diplomatischer Zwischenfall werden. In einem obskuren totalitären System jedoch kann das zu einem langen, einsamen Tod führen. Monk sprach ohne Vorwarnung in fließendem Russisch weiter.
»Sie könnten mithelfen, die Verhältnisse zu ändern, mein Freund. Gemeinsam könnten wir den Wandel beschleunigen. Dann würde alles so, wie Sie's sich wünschen.«
Solomin starrte ihn gut eine halbe Minute lang durchdringend an. Monk hielt seinem Blick stand.
Zuletzt fragte der Russe in seiner Sprache: »Wer zum Teufel
sind
Sie?«
»Ich denke, das wissen Sie bereits, Pjotr Wassiljewitsch. Die Frage ist jetzt, ob Sie mich verraten werden, obwohl Sie wissen, was diese Leute mir antun werden, bevor ich sterbe. Und versuchen werden, mit diesem Wissen weiterzuleben.«
Solomin starrte ihn weiter an. Dann sagte er: »Nicht mal meinen schlimmsten Feind würd' ich an diese Affen verraten. Aber Sie haben vielleicht Nerven. Was Sie verlangen, ist verrückt. Völlig verrückt. Ich sollte Sie zum Teufel schicken.«
»Vielleicht sollten Sie das tun. Und ich würde verschwinden. Ganz schnell, bevor Sie sich die Sache anders überlegen. Aber untätig zu bleiben, zuzusehen, zu hassen und nichts zu tun – ist das nicht auch verrückt?«
Der Russe stand auf und ließ sein Bier ungetrunken stehen. »Ich muß nachdenken«, murmelte er.
»Morgen abend«, sagte Monk – weiter auf russisch. »Hier. Kommen Sie allein, reden wir miteinander. Kommen Sie mit der Geheimpolizei, bin ich tot. Kommen Sie nicht, nehme ich das nächste Flugzeug.«
Major Solomin stapfte hinaus.
Allen Dienstvorschriften nach hätte Monk nun aus dem Jemen verschwinden müssen – und das schnellstens. Er war nicht völlig abgewiesen worden, aber er hatte auch keine Punkte gemacht. Ein Mann, der sich in solchem Aufruhr befindet, kann sich die Sache anders überlegen, und die Verliese der jemenitischen Geheimpolizei waren Schreckenskeller.
Monk wartete vierundzwanzig Stunden. Der Major kam zurück. allein. Zwei Tage später waren sie sich einig. In seinen Toilettenartikeln versteckt, hatte Monk die Grundausstattung für eine spätere Verbindungsaufnahme mitgebracht: Geheimtinten, sichere Adressen und scheinbar harmlose Sätze mit versteckten Bedeutungen. Aus dem Jemen würde Solomin nicht allzuviel berichten können, aber in einem Jahr würde er wieder in Moskau sein. Falls er noch immer den Wunsch danach hatte, konnte er sich von dort aus melden.
Beim Abschied dauerte ihr Händedruck mehrere Sekunden lang.
»Alles Gute, mein Freund«, sagte Monk.
»Gute Jagd, wie wir bei uns daheim sagen«, antwortete der Sibirer.
Damit niemand sie gemeinsam die Bar verlassen sah, blieb Monk noch sitzen. Sein Neuangeworbener würde einen Decknamen brauchen. Hoch über ihm leuchteten die Sterne mit nur in den Tropen sichtbarer erstaunlicher Klarheit.
Unter ihnen machte Monk die Gürtelsterne des Großen Jägers ausfindig. So wurde Agent Orion geboren.
Am zweiten August erhielt Boris Kusnezow ein persönliches Schreiben des britischen Journalisten Mark Jefferson. Er verwendete das Briefpapier des
Daily Telegraph,
und obwohl der Brief ans Moskauer Büro der Zeitung gefaxt worden war, war er von einem Boten in der UPK-Zentrale abgegeben worden.
Jefferson schrieb, er persönlich bewundere den Kampf Igor Komarows gegen Chaos, Korruption und Verbrechen und habe in den vergangenen Monaten alle Reden des Parteiführers aufmerksam verfolgt.
Seit dem kürzlichen Tod des russischen Präsidenten, fuhr er fort, sei die gesamte Problematik der Zukunft des größten Landes der Welt wieder in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt. Er selbst habe die Absicht, Moskau in der ersten Augusthälfte zu besuchen. Aus Paritätsgründen werde er zweifellos auch die Präsidentschaftskandidaten des Zentrums und der Linken interviewen müssen. Aber das sei lediglich eine bloße Formalität.
Der einzige fürs Ausland wirklich interessante Interviewpartner sei der wohl jetzt schon feststehende Wahlsieger: Mr. Igor Komarow. Er, Jefferson, wäre Kusnezow für eine Empfehlung, Mr. Komarow möge ihm ein Interview gewähren, aufrichtig dankbar. Er könne eine zweiseitige Aufmachung im
Daily Telegraph
sowie eine Übernahme des
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