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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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befördert wurde. In dieser Zeit heiratete er und hatte zwei Kinder. Er machte seinen Weg, ohne Einfluß oder Protektion zu haben, und überlebte rassistische Beleidigungen wie
tschurka –
ein russisches Schimpfwort, das »Holzklotz« oder, im übertragenen Sinn, »Holzkopf« bedeutete. Mehr als einmal hatte er sich mit seinen Fäusten dagegen zur Wehr gesetzt.
    Die Abkommandierung in den Jemen war 1983 Solomins erster Auslandseinsatz gewesen. Er wußte, daß es den meisten seiner Kameraden hier gefiel. Trotz der harten Lebensbedingungen in diesem Land mit seiner Hitze, den heißen Felswüsten und dem Mangel an Unterhaltung waren sie hier im Gegensatz zu heimischen Verhältnissen großzügig untergebracht – hauptsächlich in den alten britischen Kasernen. Die Verpflegung war reichlich, manchmal gab es sogar Grillpartys mit Lamm und Fisch am Strand. Sie konnten baden und aus Versandkatalogen Kleidung, Videofilme und Musikkassetten aus Europa bestellen.
    All das, vor allem die plötzliche Bekanntschaft mit den neuen Freuden der westlichen Konsumgesellschaft, gefiel Pjotr Solomin.
    Aber es gab noch etwas anderes, das ihn desillusionierte und gegen das Regime aufbrachte, dem er diente. Monk witterte etwas, wollte aber keine aufdringlichen Fragen stellen, um ihn nicht zu vergrämen.
    Um in diese Stellung zu gelangen, die der Russe jetzt bekleidete, mußte er im kommunistischen Jugendverband Komsomol gewesen und später in die KPdSU eingetreten sein. Sogar noch schlimmer: Als Major auf einem Auslandsposten gehörte er vermutlich dem militärischen Nachrichtendienst GRU an. Was hatte er also? Das kam am fünften Abend, an dem sie miteinander redeten und tranken, heraus. Seine innere Wut schäumte einfach über.
    1982, ein Jahr vor seinem Auslandseinsatz im Jemen, als Andropow noch Generalsekretär war, wurde Solomin ins Verteidigungsministerium in Moskau versetzt.
    Dort fiel er einem der stellvertretenden Verteidigungsminister auf und erhielt einen vertraulichen Auftrag. Mit aus dem Verteidigungsetat abgezweigten Geldern ließ der Minister sich eine luxuriöse Datscha draußen am Fluß bei Pereldelkino bauen.
    Entgegen der Parteisatzung, der sowjetischen Gesetze und aller moralischen Grundsätze beschäftigte der Minister über hundert Soldaten, die sein Luxuslandhaus in den Wäldern bauten. Solomin leitete die Bauarbeiten. Er sah die mit Devisen bezahlten Einbauküchen, für die jede Soldatenfrau ein Jahr ihres Lebens gegeben hätte, aus Finnland heranrollen. Er sah die japanischen Hi-Fi-Anlagen, die in jedem Raum installiert wurden, die vergoldeten Badezimmerarmaturen aus Stockholm und die Hausbar mit in Eichenfässern gereiftem schottischem Whisky. Dieses Erlebnis machte Solomin zum Gegner der Partei und des Regimes. Er war bei weitem nicht der erste loyale sowjetische Offizier, der gegen die krasse, blinde Korruption der Sowjetdiktatur rebellierte.
    Er lernte nachts Englisch und stellte dann den BBC World Service und The Voice of America ein. Beide sendeten auch in russischer Sprache, aber er wollte sie direkt verstehen können. Im Gegensatz zu allem, was er immer gelehrt worden war, merkte er nun, daß der Westen keinen Krieg mit Sowjetrußland wollte.
    Falls noch etwas nötig war, um ihn ganz zur Abkehr zu bewegen, gab der Jemen den Ausschlag.
    »Bei uns daheim hausen die Menschen in winzigen Wohnungen zusammengedrängt, aber die
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leben in Luxusvillen. Sie prassen wie Fürsten von unserem Geld. Meine Frau bekommt nirgends einen guten Fön oder haltbare Schuhe, aber andererseits werden Milliarden für verrückte Auslandshilfeprogramme vergeudet, die. wen beeindrucken sollen? Etwa diese Leute?«
    »Die Zeiten ändern sich«, sagte Monk tröstend. Der Sibirer schüttelte den Kopf.
    Gorbatschow war seit März an der Macht, aber die Reformen, die er widerstrebend und in den meisten Fällen unabsichtlich einleitete, begannen erst gegen Ende 1987 zu greifen. Außerdem war Solomin seit zwei Jahren nicht mehr in seiner Heimat gewesen.
    »Da ändert sich nichts. Die Scheißkerle dort oben. Ich sag' Ihnen, Esteban, seit ich nach Moskau gekommen bin, hab' ich mehr Vergeudung und Verschwendung gesehen, als Sie im Leben für möglich halten würden.«
    »Aber der neue Mann – Gorbatschow –, vielleicht schafft er den Wandel«, sagte Monk. »Ich bin weniger pessimistisch. Eines Tages wird das russische Volk von dieser Diktatur befreit sein. Es wird wählen, demokratisch wählen können. Das dauert nicht mehr

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