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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Moskau den Ausschlag gab.
    Die CIA wußte nur, daß ein Mann, den einer ihrer Agenten vor einem Vierteljahr vermutlich angeworben hatte, wieder im alles verschlingenden Rachen der UdSSR verschwunden war. Er würde sich entweder melden, oder er würde es nicht tun.
    In diesem Winter zerfiel das Agentennetz der Abteilung SO buchstäblich Stück für Stück. Die im Ausland für die CIA arbeitenden russischen Spione wurden nacheinander mit plausiblen Gründen in die Heimat zurückgerufen: Ihre Mutter ist erkrankt, Ihr Sohn versagt im Studium und braucht seinen Vater, ein Beförderungsausschuß tritt zusammen. Einer nach dem anderen fiel auf diese List herein und kehrte in die UdSSR zurück. Nach ihrer Ankunft wurden sie sofort verhaftet und in Oberst Grischins neuen Stützpunkt gebracht, der einen ganzen abgeteilten Flügel des festungsartigen Lefortowo-Gefängnisses einnahm. Langley ahnte nichts von den Verhaftungen, sondern wußte nur, daß ein Mann nach dem anderen verschwand.
    Was die in der Sowjetunion stationierten Agenten betraf, so hörten sie einfach auf, routinemäßig »Lebenszeichen« zu geben.
    In der UdSSR war es ausgeschlossen, einen Mann einfach im Büro anzurufen und zu einem Kaffee einzuladen. Alle Telefone wurden abgehört, alle Diplomaten beschattet. Ausländer fielen allein durch ihre Kleidung überall auf. Kontakte konnten nur mit äußerster Vorsicht stattfinden und waren entsprechend selten.
    Die wenigen Kontakte, zu denen es trotzdem kam, wurden im allgemeinen über tote Briefkästen abgewickelt. Diese uralte List klingt primitiv, aber sie funktioniert noch immer. Aldrich Ames wendete sie bis zum Schluß an. Der tote Briefkasten ist lediglich ein kleines Behältnis oder irgendein Versteck – ein Kanalrohr, eine Felsspalte, ein hohler Baumstamm.
    Der Agent kann einen Brief oder eine Päckchen Mikrofilme in dem toten Briefkasten hinterlegen und dann seine Auftraggeber durch ein Kreidezeichen an einer Mauer oder einem Laternenpfahl davon benachrichtigen. Die Position des Zeichens besagt: Im Briefkasten Nummer soundso liegt etwas für euch. Ein Mann in einem Botschaftsauto kann dieses Zeichen im Vorbeifahren durch die Scheibe erkennen, selbst wenn er gerade von der feindlichen Spionageabwehr beschattet wird, und ohne anzuhalten weiterfahren.
    Später versucht ein nicht ausgewiesener Geheimdienstmann, seine Bewacher abzuschütteln und das hinterlegte Päckchen abzuholen, wobei er möglicherweise Geld hinterläßt. Oder weitere Anweisungen. Danach bringt
er
an der vereinbarten Stelle ein Kreidezeichen an. Der dort vorbeifahrende Agent sieht es und weiß jetzt, daß der tote Briefkasten geleert ist, aber etwas für ihn enthält. Im Dunkel der Nacht holt er sich die für ihn bestimmte Sendung ab.
    Auf diese Weise kann ein Spion über Monate und sogar Jahre hinweg ohne einen einzigen persönlichen »Treff« mit seinem Führungsoffizier in Verbindung bleiben.
    Hält der Spion sich weit außerhalb der Hauptstadt auf, wo die Diplomaten ihn nicht aufsuchen können, oder ist er sogar in der Stadt, ohne im Augenblick Material liefern zu können, gibt er üblicherweise in regelmäßigen Abständen »Lebenszeichen«. In der Hauptstadt, wo die Diplomaten an der vereinbarten Stelle vorbeifahren können, sind das beispielsweise weitere Kreidezeichen, deren Form und Position bedeuten können: Mir geht's gut, aber ich habe nichts für euch. Oder: Ich mache mir Sorgen; ich fürchte, überwacht zu werden.
    Wo die räumliche Entfernung solche Geheimbotschaften verhindert – westliche Diplomaten durften sich in den Republiken der UdSSR nie frei bewegen –, sind Kleinanzeigen in den großen Tageszeitungen eine beliebte Methode, um Lebenszeichen zu geben. »Wunderschöne reinrassige Neufundländerwelpen zu verkaufen. Telefon…« könnte ganz unschuldig zwischen sonstigen Kleinanzeigen stehen. In der Botschaft werden sie von den Führungsoffizieren ausgewertet. Die benutzten Formulierungen enthalten die wahre Nachricht. Neufundländer könnte bedeuten: »Mir geht's gut«, aber Spaniel könnte warnen: »Bin in Gefahr, werde überwacht.« Reinrassig könnte besagen: »Bin nächste Woche in Moskau und hinterlege etwas in unserem toten Briefkasten.« Stubenrein könnte heißen: »Kann mindestens einen Monat lang nicht mehr nach Moskau kommen.«
    Entscheidend ist, daß solche Lebenszeichen regelmäßig gegeben werden. Ihr Ausbleiben weist auf ein Problem hin. Zum Beispiel könnte der Spion nach einem Herzanfall oder als

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