Das Schwarze Weib
spielte tadellos hielt die Melodie und gab sicher den Takt an.
Es saß eine junge Spinnerin
Am Rocken bis Mitternacht,
Das Rad lief um, die Zeit ging hin,
Sie hat gefragt und gedacht:
Wann wird der Faden, so glatt und fein,
Wohl das Gewebe fürs Brauthemd sein?
Wie lange noch muß ich spinnen
Zu meinem Hochzeitlinnen?
Sie schaffte, daß ihr die Spindel flog,
Und harrte jahrein, jahraus
Auf einen, der in die Fremde zog,
Noch immer nicht kam nach Haus.
Was säumst du, Liebster? o kehre zurück,
Mein Hoffen und Sehnen, mein Traum und mein Glück!
Schon häuft sich das Garn in der Truhe,
Mein Herz, das findet nicht Ruhe.
Kein Wandergesell blieb am Fenster stehn
Und bracht' ihr weither einen Gruß,
Sie hörte so manchmal die Türe gehn,
Nie trat auf die Schwelle sein Fuß.
Hast du mich vergessen im fernen Land,
Du, der sich mir fest gelobt in die Hand?
So lange du lebst auf Erden,
Kannst du nicht untreu werden.
Nun endlich ein Brief, von ihm eine Spur!
Ihr war's wie ein Sonnenstrahl;
Doch als sie gelesen zwei Zeilen nur,
Da wurde sie aschefahl.
»Uns scheidet auf ewig, was mir geschehn,
Ich kann dir nicht mehr in die Augen sehn.« –
Tief in sich hat sie's verschlossen,
Still sind ihre Tränen geflossen.
Nach dem Liede trat eine Stille ein, denn der Ernst in dem eben Gesungenen hielt eine Weile vor. Allmählich aber verflog die sanfte Rührung bei den jungen Leuten, und sie verlangten etwas Lustiges. »Was soll es sein?« fragte Hammichel, »das von den Rockenbriefen?« »Jaja! die Sprüchlein auf dem Rockenbrief,« riefen sie und lachten. Da fing der Alte wieder an zu fiedeln, und sie sangen nun in einem heiteren Tone.
Die Sprüchlein auf dem Rockenbrief,
Der lieblich schmückt die Kunkel,
Sind lehrhaft und gedankentief,
Doch manchmal etwas dunkel.
Hier steht geschrieben. »Niemals laß
Mit Worten dich berücken,
Zur Sünde sind's die Brücken.«
Sagt, was bedeutet das?
Auf diesem heißt es: »Jeden Schritt
Sollst wohl du überlegen,
Weil lauernd als Versucher tritt
Der Böse dir entgegen.«
Der Böse kann es nimmer sein,
Mit dem ich abgekartet,
Daß er am Kreuzweg wartet
Zum trauten Stelldichein.
»Kind, hüt' dich vor dem ersten Kuß,
Dem einen folgen viele,
Wer einmal A gesagt, der muß
B sagen auch beim Spiele.«
Sollt' ich das ganze Alphabet
Durchbuchstabieren müssen
Mit fünfundzwanzig Küssen,
Gott weiß, wie gern ich's tät.
»Schau, daß die Milch nicht überkoche,
Versalze keine Suppe
Und schnauze nicht am Kerzendocht
Spitzfingerig die Schnuppe.
Nimm keine Nadel in den Mund,
Näh tages um die Wette
Und bete nachts im Bette
Die Todfeindin gesund.«
So warnen einen streng und scharf
Die Sprüche wie nach Noten,
Was hier man soll und da nicht darf,
Das Beste wird verboten.
Drum wer sie nicht begreifen kann,
Die Rockenweisheit, spinne
Sein Garn nach eignem Sinne
Und kehre sich nicht dran.
Nun mußte Hammichel seine Geige wieder stimmen, und als er dies getan hatte, machte er ein kurzes Vorspiel, aus dem alle sogleich hörten, was jetzt folgen sollte. Es war ein neckischer Zwiegesang. Die Mädchen fingen mit der ersten Strophe an, die Burschen antworteten ihnen mit der zweiten und so abwechselnd weiter; nur die letzte Strophe sangen Burschen und Mädchen zusammen.
Komm mir nicht so dicht ans Rad,
Winzerbub, du kecker!
Wär um jedes Wort mir schad
Mit dir dreistem Schlecker.
Schielst nach allen Mädchen hin,
Blonden oder braunen;
Denkst, daß ich willfährig bin
Deinen raschen Launen?
Ach, du liebe Unschuld du,
Nur nicht gar so spröde!
Äugelst selbst uns Burschen zu,
Bist auch sonst nicht blöde.
Mädels ihr, an Listen reich,
Dünkt euch Herzbezwinger,
Glaubt, ihr hättet Schätze gleich
Zehn an jedem Finger.
Leicht und lustig ist die Kunst,
Euch ins Garn zu locken,
Und mit einem Schein von Gunst
Fängt man euch zu Schocken.
Doch wir haben kein Begehr,
Dingfest euch zu machen,
Laufen nicht euch hinterher,
Drehn uns um und lachen.
Eifrig jagt ihr früh und spat,
Einen Mann zu kriegen,
Möchtet jedem, der euch naht,
In die Arme fliegen.
Das Gespinst doch, das ihr schlingt,
Ist zu schwach gewunden,
Und kein Wild, das euch umspringt,
Wird damit gebunden.
Also wollen wir uns auch
Keine Treue schwören,
Wollen uns nach flottem Brauch
Kurz nur angehören.
Heute kosen der und die
Und zwei andere morgen,
Wozu beide, er und sie,
Sich die Liebe borgen.
Kaum daß auch dieses Lied verklungen war klatschte Gustel Breitinger in die Hände und rief: »Genug mit dem Singsang! jetzt wird getanzt! Rocken und Stühle
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