Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
Vom Netzwerk:
machte sich an ihrer Spindel zu schaffen, denn sie fühlte, was das zu bedeuten hatte. Wilm wollte Franz von ihr weg und zu seiner Schwester hin haben. Franz folgte zögernd dem Rufe und ging zu den Steineckers, was Trudi nicht unlieb war, weil sie nicht wünschte, mit ihm ins Gerede zu kommen.
    Jetzt tat sich die Tür auf, und es stellte sich noch ein verspäteter Gast ein, bei dessen Anblick sich ringsum ein Jubel erhob: »Hammichel! Hammichel von Gimmeldingen!« und ein lautes Gelächter erscholl.
    Der neu Eingetretene war eine seltsame Erscheinung. Es war ein kleiner, alter Kerl mit sehr langen Armen und breiten Schultern, deren linke höher war als die rechte. Sein gelblich blasses Gesicht war bartlos mit einer schmalen Hakennase und dünnen, zusammengekniffenen Lippen, die sich oft zu einem häßlichen Grinsen verzerrten. Seine grauen, beständig zwinkernden Augen hatten etwas Scheues und Falsches, und seine abstehenden Ohren schienen immer zu horchen, als wenn sie sich wie die eines Tieres spitzen und bewegen könnten.
    Er trug Fiedel und Bogen unter dem Arm, mischte sich mit sachten Schritten in die Gesellschaft und begrüßte diesen und jenen mit leiser, meckernder Stimme. Die meisten der jungen Männer behandelten ihn kühl, beinahe verächtlich, aber die Mädchen zeigten Freude über sein Kommen, weil sie wußten, was sie von seiner Fiedel erwarten durften. Am vertrautesten schien er mit Wilm Steinecker und dessen Schwester zu sein, die beiden Gersbacher aber und Ammerie mied er und warf nur einen forschenden Blick auf Trudi.
    »Was ist denn das für ein widerlicher Mensch?« fragte diese.
    »Widerlich ist viel zu wenig gesagt von dem alten Taugenichts,« antwortete Ammerie. »Es ist ein mit allen Hunden gehetzter, höchst gefährlicher Schwatzgesell, der hier allerwegen herumstreicht und mit einer verschlagenen Geheimniskrämerei sein unstetes Wesen treibt. Nur zu uns auf den Abtshof wagt er sich nicht, denn er haßt meinen Vater grimmig. Warum, sag ich dir ein andermal. Übrigens ist er dem Schneckenkaschper sein Großvater.«
    »Der arme Junge!« sprach Trudi.
    Hammichel schlich katzenhaft zwischen den Spinnstubengästen einher und mußte von den Burschen manche derbe Anzüglichkeit hören, die er entweder mit einem bissigen Witz oder nur mit einem stechenden Blicke quittierte. Endlich blieb er neben Mutter Steinecker stehen, die wie eine alte Glucke schläfrig an der Wand saß und dem Treiben des jungen Volkes stumpfsinnig zuschaute. Mit ihr hielt er einen langen Schnickschnack, bis ihm Jakobine ungeduldig zurief: »Hammichel, stimme deine Fiedel! wir wollen eins singen.«
    »Ja, gern! aber erst gönnt mir einen Trunk,« bat er mit kläglichem Tone, »mir ist die Kehle knochentrocken.«
    »Du sollst ja nicht mitsingen, alter Geigenbuckler!« höhnte Hubert Lingenfelder. »Wir brauchen dein Rabengekrächz nicht, deine Fiedel kratzt schon gerade genug.«
    »Daß sie dir nur nicht einmal zum Tanz mit den vier Winden aufspielen muß, wenn dich die Raben am eichenen Kirschbaum umkrächzen!« gab ihm Hammichel schlagfertig zurück.
    »Dazu kann's nicht kommen,« fiel Steffen Gersbacher ein, »denn vorher hängen wir dich selber in der Herberge zu den drei Säulen draußen vor der Holzpfort.«
    Alle lachten und freuten sich, daß der schäbige Wicht so gut abgetrumpft war. Ferdinand Klinkmüller aber, auch ein Winzerssohn, erbarmte sich des Alten und sagte: »Komm her, Gimmeldinger! ich lösch dir deinen elenden Durst.«
    Im Hintergrunde der Diele stand ein Tisch mit einem steinernen Weinkruge und plumpen, grünlichen Gläsern, aus denen die Burschen tranken und auch ihren Herzallerliebsten zuweilen einen Schluck darbrachten. Hier schenkte Ferdinand seinem Schützling ein und reichte ihm das Glas mit dem Kredenzgruß: »Da! sauf, was du selber zusammengebraut hast, und wohl bekomm's!«
    »Vergelts Gott!« sagte Hammichel, kostete bedächtig, schnalzte mit der Zunge und murmelte vor sich hinnickend: »Hat geholfen, macht sich hübsch neutral, nur ein bißchen seifig und brenzlich; das nächste Mal weniger Schwefelsäure nehmen.« Dann wandte er sich zu den Mädchen: »So! jetzt will ich spielen; was wollt ihr singen?«
    Sie stritten hin und her darüber und konnten sich nicht einigen. Er wartete jedoch ihre Entscheidung nicht ab und setzte den Bogen an mit festem Strich, worauf der Chor der Burschen und Mädchen sofort einfiel. Es war eine getragene Weise und klang gut, denn sie kannten das Lied, und Hammichel

Weitere Kostenlose Bücher