Das Schwarze Weib
noch nicht daran glauben, daß ihr, der Habe- und Heimatlosen, das Glück zuteil werden sollte, von einem Manne wie Franz Gersbacher geliebt und begehrt zu werden. Wie etwas Unmögliches dünkte sie das. Und zu diesem Zweifel gesellte sich noch eine andere Betrachtung, die sie warnte und ängstigte. In jedem Winter haben die Burschen und Mädchen hier eine neue Liebschaft, hatte ihr Ammerie gesagt. Wie, wenn das mit Franz auch so käme, daß er eine Zeitlang mit ihr tändeln und kosen wollte und vor Ablauf eines Jahres ihrer überdrüssig würde? Das ertrüge sie nicht. Zwar traute sie gerade ihm solche Flatterhaftigkeit nicht zu, aber wer oder was bürgte ihr dafür, daß er allein von dem Brauch abwich und beständiger war als alle anderen?
Wie glücklich war sie, wenn sie beim Tanz in seinem Arme dahinflog, von ihm geführt und gehalten, so nahe, daß sie den Hauch seines Atems in ihrem davon erzitternden Haare spürte, oder wenn er ihr so tief und innig in die Augen sah, als wollte er mit dem Blicke seine Seele in die ihre tauchen! War das nicht Liebe?
Wenn sie sich das alles überlegte und durchdachte, dann preßte sie die Hand auf die wogende Brust: schweig still, du da drinnen! –
Die Wintermonate gingen dahin, die Tage wurden länger und mit dem beginnenden Frühjahr gab es wieder Arbeit in den Wingerten. Die Spinnstuben wurden nicht mehr so regelmäßig abgehalten wie bisher, denn fast aller Flachs war aufgesponnen, und das Garn lag, zu Strähnen gebunden, in den Truhen, zum Verweben bereit. Nur eine Kunkel, kaum halb voll, mußte man sich für die letzte Spinnstube, die stets beim Bürgermeister auf dem Abtshofe stattfand, noch aufbewahren. Trotzdem wurde über Franz und Trudi unablässig geklatscht und gezischelt. Daß der Gersbachersohn mit der Steineckertochter in Verspruch war oder dieser doch endlich bald zu erwarten war, dagegen hatte niemand etwas einzuwenden, denn beide waren Wachenheimer Kinder, und ihre bevorstehende Verbindung wurde als etwas betrachtet, das ganz in der Ordnung war. Daß sich Franz aber allem Anschein nach eine Zugewanderte, die nicht einmal eine Pfälzerin war, nehmen wollte, das war nicht in der Ordnung, das empörte die Wachenheimer Mädchen, die ihn, obschon die meisten ihn am liebsten selber zum Manne gehabt hätten, wohl jeder Einheimischen, aber nicht einer Fremden gönnten. Nun hatten sie plötzlich dieses und jenes an ihr auszusetzen, häkelten und mäkelten an ihr herum, und die neidischsten unter ihnen zogen auch am gehässigsten über sie her. Andere jedoch verteidigten sie und suchten ihre guten Eigenschaften in das hellste Licht zu stellen. So entstanden Parteien, erst unter den Mädchen und dann auch unter den Burschen, denn auch unter ihnen gab es einige, die Franz grollten, weil er Trudi so für sich in Anspruch nahm, daß sie für alle übrigen fast unnahbar wurde.
Franz und Trudi hörten nichts von dem Geschwätz oder kehrten sich nicht daran. Zwischen ihnen schwebte etwas Unausgesprochenes, keusch Verschleiertes, was sie wie ein segenspendender Zauber nah und fern umwob. Das wußten sie beide, das sagte ihnen jeder Blick und jeder Handdruck, die sie untereinander tauschten. Jeden verlangte danach, ach! nur ein kleines Zeichen der Liebe geben oder empfangen zu dürfen, aber keiner wagte sich damit hervor in der Unsicherheit, wie der andere eine Berührung des tief und scheu in ihm Verschlossenen aufnehmen würde. Es war ein teils wonniger, teils qualvoller Zustand, das, was in jedem drängte und stürmte, gewaltsam zurückhalten und eindämmen zu müssen und mit all der Sehnsucht im Herzen sich keine Andeutung darüber entschlüpfen zu lassen. Aber in dem Geheimnis lag für beide etwas so Beseligendes, daß sie sich dieses stille Hoffen und Wünschen mit keinem lauten Worte enthüllen und entweihen wollten. In Trudis Brust aber wohnte ein Glück ohne Maß und ohne Ziel, das all ihr Fühlen und Denken füllte und ihrem Dasein einen neuen, nie geahnten Inhalt gab. –
Endlich kam der Kehraus, die letzte der Spinnstuben, die bei Armbrusters den Schluß dieser Winterfreuden machen sollte. Gesponnen wurde nicht viel mehr dabei und, obwohl genug Mädchen und Burschen erschienen waren, auch nicht getanzt, weil kein Spielmann da war, denn von Hammichels Zutritt zum Abtshofe konnte ja keine Rede sein. Christoph hatte einen Kreis vertrauter, trinkfester Freunde um sich versammelt, denn heute sollte, wie stets bei dieser Gelegenheit, zum ersten Male der Neue
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