Das Schwarze Weib
gemacht?«
»Weiß nicht, glaube nicht,« erwiderte Kaspar.
»Nicht? schade!« murrte der Alte. Dann lachte er tückisch vor sich hin: »Jetzt hab ich ihn, jetzt faß ich ihn, jetzt soll er mir bluten!«
Dann aber geschah etwas schier Wunderbares, noch nie Dagewesenes. Hammichel machte seinem Enkel ein Geschenk. Er holte aus seinem Rucksack einen neuen Anzug für ihn hervor, den er unterwegs erstanden hatte. »Da, Junge! hab ich dir mitgebracht!« sprach er mit hoffärtiger Miene und einer schwunghaften Handbewegung, »was sagst du dazu? he?«
Dem Schneckenkaschper schien vor freudigem Schreck der Verstand still zu stehen, eh er sich zu einem »Ei, danke, Großvater!« aufrappeln und sich das Gewand näher betrachten konnte. Ganz neu war es nun freilich nicht, aber doch sehr gut erhalten und noch gar nicht geflickt.
Der auf einmal freigebig Gewordene zeigte überhaupt ein gegen früher gänzlich verändertes Wesen und war von einer kribbligen Unrast befallen. Er ging zwar seinem Gewerbe nach, besuchte die Keller seiner Anhänger, probte deren Weine und goß seinen zusammengequirlten Sud in die Fässer. Aber er nahm sich zu diesem Geschäft viel weniger Zeit als sonst, hielt sich nirgends lange auf und trieb sich beständig auf einsamen Wegen zwischen den Wingerten umher, wo er doch nichts zu tun hatte. Auch sein Auftreten und Gebaren war weit kecker und selbstbewußter als früher; er warf mit dunkeln, prahlerischen Reden um sich, aus denen kein Mensch klug werden konnte, und benahm sich wie einer, der großes im Schilde führt.
Christoph Armbruster war es, den er suchte, dem er überall, wo er ihn zu treffen hoffen konnte, aufpaßte, weil er ihn ohne Zeugen zu sprechen wünschte. Endlich, nach tagelang vergeblichem Umherstreifen glückte es ihm, dem Bürgermeister einmal in der Nähe seines Wingerts allein zu begegnen.
Er grüßte ihn unterwürfig und redete ihn an: »Herr Bürgermeister, ich hab eine Neuigkeit, eine sehr wichtige Neuigkeit für Euch.«
Christoph wies ihn stolz ab: »Behalt sie für dich! mich verlangt nicht nach deinen Neuigkeiten.« Mit diesem Bescheid wollte er an dem doppelzüngigen Ohrenbläser vorüber.
Aber Hammichel blieb ihm zur Seite und sprach: »Ihr würdet's mir Dank wissen, Herr Bürgermeister, wenn ich Euch mitteilte, was ich erfahren habe.«
Da stellte sich Christoph Armbruster breitbeinig vor die Jammergestalt hin und sagte barsch: »So mach's kurz, ich hab keine Zeit für dich übrig.«
»Es ist auch ganz kurz, was ich Euch zu melden hab,« erwiderte Hammichel mit erheuchelter Ruhe. »Ich hab ein Vöglein pfeifen hören, daß in der Pfalz das Wildfangrecht wieder auf die Bahn kommen soll. Das heißt so viel wie daß Eure schöne Niftel, die Trudi, hörig und leibeigen werden muß, wenn ich nicht reinen Mund halte.«
Diese Kunde traf den starken, in sich gefesteten Mann wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er bezwang jedoch seine große innere Erregung und fragte mit angenommenem Gleichmut: »Woher weißt du das?«
»Das gehört eigentlich nicht zur Sache,« gab ihm Hammichel zur Antwort, »aber Ihr sollt nicht denken, daß ich Euch bloß ein windiges Gerücht zutrage. Ich hab's von einem guten Freunde, einem Schreiberlein in der kurfürstlichen Kanzlei zu Kaiserslautern. Glaubt Ihr's nun?«
»Dir für die Nachricht zu danken hab ich kein Ursach,« sagte Christoph. »Im übrigen, – was geht's dich an? meine Niftel sieht unter meinem Schutz, nicht unter dem deinigen.« Seine Stimme bebte dabei leise, denn nun er Hammichels Quelle kannte, begriff er sofort den vollen Ernst der Lage für sich selbst sowohl wie für Trudi.
Hammichel war das Erschrecken des ihm Gegenüberstehenden nicht entgangen. »Bürgermeister, was gebt Ihr mir, wenn ich schweige?« fragte er mit heimlicher Schadenfreude.
»Scher dich zum Teufel und drück ihm ab, was du kannst! von mir kriegst du nichts,« erwiderte Christoph in aufwallendem Zorn und kehrte dem alten Schuft den Rücken.
»Überlegt's Euch noch einmal,« krähte ihm Hammichel nach, »und bedenket wohl: ich weiß, daß Eure Niftel eine Fremde, eine Würzburgische ist, und wenn ich das dem Hühnerfaut verrate, –«
Aber Christoph Armbruster hörte nicht mehr auf ihn, sondern schritt seines Weges fürbaß.
Er stieg einen Hügel hinan in der Hoffnung, mit der freien Umschau dort oben zugleich Klarheit über das zu gewinnen, was jetzt noch nebelhaft und verworren vor seinem von Angst getrübten Blicke schwebte. Er bemühte sich, seine
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