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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
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zerstreuten Gedanken zu sammeln und entsann sich nun, daß sein Vater öfter von dem Wildfangrecht als von etwas Schmachvollem gesprochen hatte, weil es die davon Betroffenen in ein abhängiges, erniedrigendes Verhältnis zu dem Pfalzgrafen oder einem seiner adligen Vögte brachte. Während des Dreißigjährigen Krieges, den Christoph ja von Anfang bis zu Ende mit durchlebt hatte, und auch in der darauf folgenden Zeit bis heute war aber von diesem Recht oder Unrecht nie mehr die Rede gewesen; es schien also nicht mehr ausgeübt zu werden und eingeschlafen zu sein. Wenn nun, wie er von Hammichels Meldung vermuten mußte, an die pfalzgräflichen Kanzleien der Befehl ergangen war, es wieder in Anwendung zu bringen, so fiel ihm auch die zum Opfer, die aus ihrer Würzburger Heimat geflohen war, um hier unter seinem Dache Frieden und Erlösung von einem unerträglichen Joche zu suchen. Obervogt der Vorderpfalz war sein Jugendfreund Dietrich von Remchingen, der ihm zu Liebe gewiß jede Rücksicht walten lassen würde, die in seiner Macht stand. Allein auch der Obervogt war Untergebener des Landesherrn, dessen Anordnungen er unweigerlich zu gehorchen hatte. Die arme Trudi! hörig und leibeigen müßte sie werden, hatte Hammichel gesagt, und der hämische Ränkeschmied schien von seinem Gewährsmann gut unterrichtet zu sein, jedenfalls besser als Christoph selber es war, der kaum wußte, um was es sich in diesem freiheitraubenden Gesetz eigentlich handelte.
    Sollte er zum Reichsfreiherrn auf die Wachtenburg gehen, sich von ihm Rat und Trost zu holend Nein! sobald Dietrich, dem ja die Anwesenheit Trudis bekannt war, etwas von der Sache erführe, würde er aus eignem Antrieb zu ihm auf den Abtshof kommen und ihn warnen. Aber da fiel ihm ein anderer ein, der ihm sicher die beste Auskunft geben konnte und mit dem er auch seit langen Jahren befreundet war. Das war der Schultheiß Gottfried Bofinger, ein allgemein hochgeachteter, in allen Gesetzauslegungen erfahrener Mann und ein gut Teil älter als er, mithin auch reicher an Erinnerungen. Augenblicks kehrte er um und begab sich zum Hause des Schultheißen.
    Der würdige alte Herr, der still zurückgezogen in seinen vier Pfählen lebte, empfing den seltenen Besuch sehr freundlich und sah ihm sofort an, daß ihn etwas ganz Außerordentliches hergeführt haben mußte. »Ihr habt eine
cura maxima
, Bürgermeister,« begann er, nachdem beide Platz genommen hatten, »sprecht Euch aus und verschweigt mir nichts von dem, was Euch beschwert.«
    »Habt recht geraten, Schultheiß; es ist keine Kleinigkeit, derentwegen ich zu Euch komme,« erwiderte Christoph und offenbarte dem Rechtsgelehrten klärlich seine Befürchtungen um Trudis Zukunft.
    Gottfried Bofinger wiegte sein schlohweißes Haupt und sprach: »Das Wildfangrecht, Christoph, ist eine der malerischsten
institutiones
des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Generaliter
ist mir's wohl bekannt von der Zeit her, da ich vorübergehend Sekretarius beim Reichskammergericht in Speyer war, aber
in specie
bin ich nicht mehr genau informiert. Wollen mal die
acta reposita
meines Amtsvorgängers nachschlagen und sehen, was in denen Traktaten darüber geschrieben steht.«
    Er nahm aus einem hohen Gestell an der Wand einen tief unten liegenden Stoß vergilbter Papiere und blätterte darin, bis er das gesuchte Aktenstück fand, das er flüchtig durchlas. »Es ist so, wie ich dachte,« sprach er dann. »Ich wollte nur meinem Gedächtnis zuhilfe kommen, damit ich Euch nichts Falsches sage. Also merket auf, was ich Euch in Kürze darüber zu notifizieren habe.
    Das Wildfangrecht ist ein altes
regale
des Kaisers, das schon unter König Wenzel und dann wieder in einem Diplom Maximilians des Ersten erwähnt wird. Es verleiht dem Reichsvikarius, Pfalzgrafen bei Rhein, ein auch kleineren Dynasten übertragbares
beneficium
und beruht auf folgendem
principio
. Wenn jemand aus einem Lande, einem weltlichen oder geistlichen Fürstentum, in ein anderes übersiedelt und dort ein Jahr und einen Tag lang bleibt, so fällt er in Hörigkeit und Leibeigenschaft des Landesherrn, und ein Loskauf mit Geld oder
naturalibus
ist unstatthaft. Nur edel oder gänzlich frei Geborene sind davon ausgenommen. Ein solchergestalt untertan gewordenes
individuum
, sei es Mann oder Weib, nennt man einen Wildfang. Der Hühner- oder Außenfaut nimmt ihn im Namen seines Herrn in Besitz und zieht von ihm den Fahegulden ein. Doch kann der, aus dessen Gebiet er entwichen ist, der

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