Das Schwarze Weib
sogenannte nachjagende Herr, den Wildfang zurückfordern, und dieser muß ihm dann
stricte
ausgeliefert werden. Dabei körperliche Gewalt gegen ihn zu gebrauchen ist aber ohne Genehmigung des Landesfürsten streng verpönt, übrigens eine wertlose papierne Klausel, denn diese Genehmigung ist auf Verlangen des Nachjagenden immer erteilt worden.«
»Also wäre meine Niftel dem Wildfangrecht rettungslos verfallen, sobald sie ein Jahr lang hier ist?« fragte Christoph.
»Unzweifelhaft. Seit wann ist sie denn bei Euch?«
»Seit dem Tage vor Kreuz-Erhöhung.«
»Nun, da habt Ihr ja noch fast fünf Monate Zeit bis zur Entscheidung. Aber noch eins muß ich Euch mitteilen,« fuhr der Schultheiß fort, »etwas, das zwar nicht hier in den Akten steht, dessen ich mich jedoch aus einem besonderen
casu
genau erinnere. Wer einen Wildfang ehelicht, gerät dadurch selber in Knechtschaft. Unfreie Hand zieht die freie nach sich. Wenn also Euer Niftel hier heiratet, wird ihr Gatte –«
»– auch hörig und leibeigen? das ist ja empörend!« rief Christoph erregt, Trudis und Franzens heimlicher Liebe gedenkend.
»Das ist es, weiß Gott!« stimmte Bofinger zu, »
summum jus summa injuria
. Könnt Ihr sie nicht in ihre Heimat zurückschicken?«
»Nein! dort harrt ihrer eine schlimmere Leibeigenschaft als hier unter Dietrich von Remchingen.«
»Der Freiherr ist Euer Jugendfreund, Christoph. Der wird Eurer Niftel keine zu schweren Fronen aufbürden.«
»Das gewiß nicht, aber – es kommt noch etwas anderes dabei in Betracht,« erwiderte Christoph und wollte dem Schultheißen nun von Trudis Hoffnungen sagen.
Dieser fiel ihm jedoch in die Rede mit den Worten: »Ich errate, was. Es geht Euch
contra animum
, als Bürgermeister eine Hörige in der Familie und im Hause zu haben. Das kann ich Euch nachfühlen, Christoph, aber wartet doch, bis von der Obervogtei in Sachen des Wildfangrechtes etwas gegen Euch unternommen wird. Dann wollen wir ratschlagen, was sich tun läßt, seine empfindlichsten Härten nach Möglichkeit abzuschwächen.«
Darauf hielt der Bürgermeister mit seiner Mitteilung von Trudis Liebe zurück und klärte den Freund über dessen Irrtum, was da noch anderweitig in Betracht käme, nicht auf. Er selber hatte an das mißliche Verhältnis, eine Hörige in der Familie zu haben, noch gar nicht gedacht. Jetzt fiel ihm auch das noch beklemmend auf die Seele, aber er unterdrückte dieses ihn persönlich Kränkende und schwieg.
Die beiden Alten schüttelten sich treulich die Hände und sprachen weiter kein Wort mehr. Christoph Armbruster schied mit schwerem Herzen von Gottfried Bofinger und wandelte langsam dem Abtshofe zu mit dem Vorsatze, den Seinigen die Schreckensbotschaft vorläufig noch zu verhehlen, aber auch mit dem festen Entschlusse, den Kampf gegen das Ungeheuer Wildfangrecht bis zum äußersten durchzufechten, mochte für ihn daraus entstehen, was wolle.
Zu Hause in der Pergola fand er Trudi. Vor sich auf dem Tische hatte sie ein Häuflein Veilchen, die sie zu einem Sträußchen zu binden im Begriff war.
»Sieh da! Veilchen hast du?« sprach er, sich zu ihr setzend.
»Jawohl, Onkel! die ersten, die ich im Garten entdeckte. Sie standen geduckt und geschützt, unter einem Strauche; da hab ich sie gepflückt, um ein Sträußchen draus zu machen.«
»Für wen denn, Trudi?«
»Für wen? für Base Madlen natürlich,« erwiderte sie, ohne von ihrer zierlichen Arbeit abzulassen.
»Soso! für Base Madlen,« sagte er mit einem so eigenen Ton, daß sie überrascht zu ihm aufblickte. »Bist selber ein liebliches Veilchen, du mit deinen dunkelblauen Augen.«
»Geduckt und geschützt unter eurem schirmenden Dache wie die Veilchen unterm Strauch,« sprach sie schelmisch. »Wenn du's so meinst, laß ich's gelten.«
»Gib mir ein einziges davon ab,« bat er.
»Gern, Onkel, hier!«
Er steckte es sich an die Brust und sagte: »Es ist lange her, daß ich eine Blume am Wams getragen habe. Das ziemt der Jugend, die seh ich gern mit Kränzen und Blumen geschmückt. Warum niemals dich?«
»Wie darf ich denn? sie blühn doch nicht für mich, die hier wachsen.«
»Ei freilich tun sie das; nimm sie, wo du sie findest, derweilen du jung bist. Später hat man nicht oft Anlaß, mit Rosen zu stolzieren, da sind die Dornen reichlicher im Leben,« sprach er träumerisch.
»Wenn du's erlaubst, Onkel, sollst du mich von jetzt an öfter mit Blumen staffiert sehen. Grund genug hab ich dazu. Sitz' ich doch hier bei euch freudig und
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