Das Schwarze Weib
der nach dem Rheine zuführte, einen einzelnen Mann, und das war Ebendorffer. Eine Strecke hinter ihm aber stand einer mit einem Pferde, der ein Knecht oder Bursche aus dem Gasthause zur goldenen Traube sein mußte.
»Siehst du,« sprach Ammerie, »dein Quälgeist ist schon reisefertig; dort steht sein gesatteltes Pferd. Muß dem der Boden unter den Sohlen brennen, daß er sogar die Nacht durch reiten will.«
»Glück auf den Weg!« flüsterte Trudi.
»Glück?« sagte Ammerie. »Den Hals soll er im Dunkeln brechen oder im Rheine versaufen! Das ist mein Reisesegen.«
Sie gingen langsam auf ihn zu. Der Meier rührte sich nicht vom Flecke, sondern winkte mit einem weißen Blatt Papier, daß sie näher kommen möchten.
Als dies geschehen war, sprach er: »Guten Abend! es freut mich, daß ihr so pünktlich zur Stelle seid. Hier nehmt die Vollmacht, die auszuliefern ich gelobt habe! Wollt ihr euch überzeugen?«
»Jawohl!« sagte Ammerie, griff schnell zu und steckte das Blatt in die Tasche ihres Kleides.
»Und nun, liebe Trudi, wie ist es?« fragte Ebendorffer mit schmeichelndem Tone. »Willst du mich nicht zum letzten Male noch ein Stück begleiten? Die Nacht ist mild, und dort steht mein Schweißfuchs, den du ja von früher her kennst. Ich nehme dich vor mich in den Sattel, nur bis zum Rheine. Wie sich der Mond da im Strome spiegelt, das ist ein prächtiges Bild, als könnte man wie auf einer goldenen Brücke hinüberreiten.«
Trudi blickte ihn, über diese unglaubliche Zumutung empört, mit starren Augen an und konnte nicht antworten. Ammerie zog sie am Arme und flüsterte: »Komm! komm fort!«
Schon wandten sie sich zum Gehen, aber – »Halt! du kommst mit mir!« rief der Meier laut, erfaßte die zum Tod erschrockene Trudi und versuchte, sie mit Gewalt zu seinem Pferde zu schleppen.
Und wie auf eine Losung fiel ein anderer, einer mit geschwärztem Gesicht, über Ammerie her, um ihr mit der Hand den Mund zu verschließen. Doch ehe ihm dies gelang, konnte die sich heftig Sträubende noch einen gellenden Schrei ausstoßen.
Da stürmten drei Retter in der Not, Peter, Franz und Steffen, aus dem Gebüsch pfeilgeschwind heran. Mit nerviger Faust packte Franz den Meier im Genick, daß dieser seine umklammerte Beute fahren lassen mußte. Der vollständig Überraschte kehrte sich sofort gegen ihn, zückte im Nu sein Weidmesser und versetzte seinem Angreifer einen Stich in die Gegend des Herzens. Aber ungeschwächt davon, weil der Stoß glücklicherweise nicht ins Herz gedrungen, sondern an einer Rippe abgeglitten war, wich Franz, obwohl blutend, vor dem Rasenden nicht zurück und entwand ihm mit Peters Hilfe die Waffe, ehe er noch einmal zustechen konnte. Dann aber entspann sich ein so wilder Zweikampf, daß Peter in die schlangenhaft schnellen Bewegungen der miteinander Ringenden nur wenig einzugreifen vermochte, bis Franz seinen Gegner zu Boden warf und sich auf ihn kniete.
Inzwischen hatte Steffen auch Ammerie von ihrem Bedränger befreit, der eilig floh und unerkannt entkam.
Peter leistete seinem Schwager nun einen sehr gediegenen Beistand zur Überwältigung des sich immer noch verzweifelt Wehrenden, die bald so gründlich besorgt war, daß sie ihn mit Stricken fesseln konnten, die sie vorsichtigerweise mitgebracht hatten.
Die Mädchen standen Hand in Hand abseits und schauten mit fliegendem Atem, vor Angst zitternd und bebend, dem Kampf auf Leben und Tod zu, den sie genau verfolgen konnten, weil jetzt der Mond wolkenlos vom Himmel schien. Bald wollte Trudi, bald Ammerie sich losreißen, um den Ihrigen tapfer beizuspringen, und war dann von der andern kaum zu halten.
Jetzt sah Steffen, wie der bei dem Pferde Stehende sich aus dem Staube machen wollte, war sofort hinter ihm her, holte ihn ein und zerrte den Entwischten, der kein anderer war als Hammichel, an einem Ohre auf den Kampfplatz zurück, wo die andern beiden den Meier noch fester umschnürt hatten, so daß er an kein Entrinnen denken konnte.
Der Besiegte lag am Boden, aber auch die Sieger waren erschöpft und mußten sich ein wenig verschnaufen. Trudi kam erregt auf Franz zu, aber dicht vor ihm blieb sie schreckgelähmt stehen und schrie entsetzt auf: »Mein Gott, du blutest ja! Bist du verwundet?«
»Ja, Ebendorffer hat mich gestochen,« erwiderte er, »es hat nichts zu bedeuten.«
Peter winkte ihr, zurückzutreten und sprach zu seinen Gefährten: »Nun laßt uns den hier auf die Füße stellen und dann die beiden Ehrenmänner in sicheren
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