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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Wolff
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Vollmacht nicht ausliefern.«
    »Damit könntest du allerdings recht haben,« pflichtete ihr Trudi bei.
    »So komm, daß wir dem Jungen Bescheid bringen.«
    Im Garten sagte Ammerie zu Kaspar: »Melde deinem Großvater, wir würden uns heut abend Klocke neun vor der Rheinpfort' einfinden.«
    »Werd's bestellen,« sprach Kaspar, lief mit seinem Patz flink davon, dachte aber: abends Klocke neun vor der Rheinpfort'? was soll denn das bedeuten? Schneckenkaschper, da müssen wir dabei sein.
    Darauf begaben sich die Mädchen in Peters Wohnung. Ammerie trug ihrem Bruder, ohne Beisein von Elsbeth, das Begehren und das Anerbieten des Meiers vor und knüpfte daran die Bitte, ihnen seinen Rat zu erteilen. Sie verschwieg ihm nicht Trudis Bedenken und große Abneigung gegen den Schritt, vertrat aber auch ihre eigene Meinung und wiederholte alles das, was sie für das Eingehen auf Ebendorffers Vorschlag schon Trudi gegenüber geltend gemacht hatte.
    Peter hatte ihr aufmerksam zugehört und sprach nach längerem Besinnen: »Ja! geht hin! ich sehe keine Gefahr dabei, und in den Besitz der Vollmacht zu gelangen, ist für dich, Trudi, wie auch für den Vater so überaus wichtig, daß du die Gelegenheit dazu nicht versäumen darfst. Ich würde euch, damit ihr euch sicherer fühltet, gern zu dem Stelldichein begleiten, aber das würde die Übergabe der Vollmacht nicht fördern, sondern wahrscheinlich hintanhalten.«
    »Ganz richtig! das hab' ich Trudi auch schon gesagt,« fiel Ammerie ein.
    »Also du rätst uns, den Gang zu wagen?« fragte Trudi noch einmal.
    »Unbedingt ja!« erwiderte Peter.
    »Gut! dann tun wir's,« entschied Trudi. »Hab' Dank, Peter!«
    Sie verließen ihn, und auf dem Hofe hub Ammerie an: »Nun kannst du ohne Sorge sein. Peter ist ein sehr vorsichtiger Mensch und würde uns nicht zureden, wenn er an der Sache irgend etwas Mißliches fände. Sobald wir die Schrift in Händen haben, sagen wir Schab ab! laufen nach Hause und überreichen Väterle stolz die eroberte Vollmacht. Wird der mal Augen machen!«
    »Hätten wir sie nur schon!« seufzte Trudi.
    »Nur nicht so katzangst! vor allen Dingen zeige dem Meier keine Spur von Furcht, sondern tritt kaltblütig und fest gegen ihn auf und mach' den Abschied so kurz wie möglich,« mahnte Ammerie.
    »Am liebsten spräch' ich kein Wort dabei.«
    »Vielleicht brauchst du das auch gar nicht,« versetzte Ammerie. »Ein Kopfnicken, eine dargereichte Fingerspitze genügt ja. Wir wollen auch nicht mehr darüber sprechen, wollen uns die Zeit mit Arbeit vertreiben und gar nicht mehr daran denken.«
    Das war leichter gesagt als getan. Trudi wurde die Gedanken an das, was ihr heut abend bevorstand, nicht los, denn es lastete auf ihr mit einem dumpfen Drucke, von dem sie sich mit keinen Vernunftgründen freimachen konnte. Immer ging ihr die Frage durch den Sinn, ob Ebendorffer mit dem, was er in seinem Briefe versprochen hatte, auch Wort halten und sonst nichts weiter von ihr verlangen würde. In ihrer Ungeduld, die widerwärtige Begegnung nur erst hinter sich zu haben, schlichen ihr die Stunden des Tages schier unerträglich langsam dahin, und sie hatte große Mühe, ihre Aufregung in Gegenwart der lieben Alten zu verhehlen, was ihr ohne Ammeries absichtlich ununterbrochenes Geplauder, das die Aufmerksamkeit von der Schweigsamen ablenkte, kaum geglückt wäre.
    Endlich war der Abend herangekommen. Das jüngere Ehepaar erhob sich vom elterlichen Tische sehr frühzeitig, wie es die beiden manchmal zu tun pflegten, wenn sie drüben in ihrer Wohnung vor dem Zubettgehen noch ein Stündchen unter sich sein wollten, weil es ihnen tagsüber an Zeit dazu gebrach. Peter warf beim Verlassen des Zimmers Trudi einen ermutigenden Blick zu, den sie verstand und mit einem schnellen Augenplinken erwiderte.
    Kurz vor neun Uhr machten sich auch Trudi und Ammerie bereit, und da selbst ein so später Besuch im Gersbacherhofe nichts Ungewöhnliches und Auffallendes hatte, so konnten sie ihren heimlichen Gang unbehindert antreten.
    Ein mäßiger Wind rauschte im Laub der Bäume und Sträucher und trieb von Westen her zerrissene Wolken, die den halben Mond bald verschleierten, bald unverhüllt herabschauen ließen.
    Die Stadttore blieben, was Hammichel dem Bronnbacher klüglich verschwiegen hatte, in Friedenszeiten bis zehn Uhr offen, und als die beiden Mädchen ein Stück außerhalb der Rheinpforte waren, erblickten sie in geringer Entfernung auf dem völlig einsamen, von hohem Gebüsch umsäumten Fahrwege,

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