Das Schwebebahn-Komplott
Axel Grimm war Ende vierzig, klein, dick,
hatte kurze, fettige Haare, stank permanent nach Schweiß und
beäugte die Welt aus kleinen, listigen Schweinsaugen. Der
Trageriemen seiner Kamera hatte den Kragen seines altmodischen
Jacketts schon verschlissen, doch einen Reporter wie Grimm
störte sein Erscheinungsbild nicht sonderlich - Hauptsache, er
hatte News, über die er sich in seinem Käseblättchen
das Maul zerreißen konnte. Die Konkurrenz vom Privatradio war
ihm ein Dorn im Auge, und so versuchte er immer wieder, die
Schnelligkeit dieses Mediums mit linken Tricks zu unterlaufen. Auch
auf Frauen hatte er eine Wahnsinnswirkung: Alle gingen auf Distanz
zu ihm, und so war es kaum verwunderlich, dass er eiserner
Junggeselle blieb. Seinen Spaß mit dem weiblichen Geschlecht
erkaufte er sich in einschlägigen Etablissements - wie etwa
Klaus Gembowsky sie unterhielt.
Heike vermutete
abschätzend, dass Grimm sicherlich zu Gembowskys besten Kunde
zählte.
»Was -
und?«, fragte sie jetzt.
Grimm grinste sie
feist an. »Darf man erfahren, was die werte Kollegin hier
treibt?«
»Nein.«
Heike ließ ihn stehen und marschierte schnurstracks zum
Taxistand. Im nächsten Augenblick spürte sie seine Hand
auf ihrem Arm. Entnervt fuhr sie herum, ihre Augen sprühten
Funken. »Würdest du so freundlich sein und mich
loslassen?«, keifte sie. »Ich habe zu
tun.«
»Ja«,
kicherte Grimm. Ein winziger Speichelfaden rann seinen Mundwinkel
herab. »Das ist offensichtlich. Komm schon, sei kein Frosch
und teile deine Neuigkeiten mit einem Kollegen.«
»Mit einem
Aasgeier, wolltest du sagen!«
»Aber Heike, ich
bitte dich.« Er zog schmollend die Mundwinkel nach unten.
»Wer wird denn so grob über einen Kollegen
urteilen?«
»Ich.«
Heike ließ ihn ein zweites Mal stehen.
»Schon gut, Frau
Kollegin«, rief Grimm ihr nach. »Ich werde es auch ohne
deine Hilfe herausfinden. Bleibt nur fraglich, wie du an deine
Informationen gekommen bist.«
»Beziehungen«,
erwiderte Heike knapp. »Als guter Journalist pflegt man seine
Kontakte und sieht zu, dass man sich diese Kontakte nicht mit
reißerischen Schlagzeilen versaut.« Damit stieg sie in
eines der wartenden Taxis und nannte dem Fahrer das gewünschte
Ziel. Mit einem Nicken setzte der Chauffeur seine Dieselkutsche in
Bewegung.
»Blödmann,
Aasgeier«, zischte Heike, als sie den völlig
verdattertem Axel Grimm betrachtete, der ihr mit
zusammengekniffenen Augen nachblickte.
»Bitte?«,
gluckste der Taxifahrer und betrachtete sie fragend im
Rückspiegel.
»Nicht
Sie«, beschwichtigte die blonde Reporterin mit rotem Kopf.
»Ich meinte meinen Kollegen, sofern man ihn so nennen
kann.«
*
»So, das war's
für heute, liebe Leute. Gleich nach den Nachrichten wird der
Kollege Lutz Peters mit der Nachtschicht hier auf Ihrem
Lieblingssender, der Wupperwelle, das Ruder übernehmen. Ich
darf mich verabschieden, bis bald und gute Nacht, mein Name ist
Stefan Seiler, und hier kommt die bezaubernde Mindy McCready
mit If l
Don't Stay The Night. «
Mikro zu, CD-Regler
nach der Ramp hoch und tief Luft holen.
Lutz Peters, der
Moderator der nächsten Sendung, stand schon vor dem
gläsernen Studio bereit. Nachdem das rote On Air -Signal über der Tür
verloschen war, betrat er das schalldichte Studio. Lutz war Mitte
dreißig, von stämmiger Natur und trug die blonden Haare
sportlich kurz. Dennoch waren die ersten lichten Stellen auf seinem
kantigen Schädel kaum zu übersehen. Lutz Peters war ein
Mann der ersten Stunde des Senders, hatte vom ersten Tag an bei der
Wupperwelle moderiert - zunächst als Nachrichtenredakteur,
später als Redakteur für aktuelle Themen und Kultur und
war inzwischen zum Chef vom Dienst aufgestiegen. Der CvD hatte die
ehrenwerte Aufgabe, den Dienstplan zu erstellen, womit er sich
nicht selten unbeliebt im Kollegenkreis machte. Während seiner
Anwesenheit im Sender war er für den Programminhalt
verantwortlich; kein leichter Job unter der strengen Hand von
Michael Eckhardt, dem eigentlichen Chefredakteur.
»Hi«,
sagte er und klopfte Stefan auf die Schulter. Unter dem Arm hielt
er die Playlist, Manuskripte für die Moderationen und einen
Stapel CDs, den er sich bereits am Nachmittag beim zuständigen
Musikredakteur abgeholt hatte. »Schon was von Heike
gehört?«
Freiwillig räumte
Stefan den Platz am Mischpult. Unmerklich rollte er mit den Augen
und schickte einen Stoßseufzer zum Himmel. Warum fragte heute
jeder nach Heike? »Nein«, seufzte er und packte seine
sieben
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