Das Schwebebahn-Komplott
musste, und es gab einen Toten, der
nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als in der weltberühmten
Schwebebahn zu sterben. Warum hatte keiner der anderen
Fahrgäste bemerkt, dass es dem Immobilienhai Rolf Spielberg an
den Kragen ging? Wenn man ihn umgebracht hatte, musste es einen
Täter geben. Vermutlich einen Profi, der sein Handwerk
routiniert genug beherrschte, um in einer Menschenmenge unbemerkt
einen Mann zu töten.
Rasch drehte Stefan
das Wasser der Dusche ab und frottierte sich trocken. Auf die Rasur
verzichtete er heute. Es gab viel zu tun, also begnügte er
sich mit Zähneputzen. Obwohl er auch heute wieder
Spätschicht hatte, wollte er noch am Vormittag in der
Redaktion vorbeischauen und sehen, ob es eventuell schon
Neuigkeiten gab. Möglicherweise würde er sich mit der
Pressestelle des Polizeipräsidiums in Verbindung setzen - aus
Kommissar Verdammt würde Stefan nichts herausbekommen, der war
in der Stadt als äußerst medienscheu bekannt. Auch aus
diesem Grunde war es ihm ein Rätsel, dass Heike am gestrigen
Abend die Erste gewesen war, die Informationen aus erster Hand von
Norbert Ulbricht erhalten hatte. Vermutlich hoffte er, durch eine
Zusammenarbeit mit der Wupperwelle Zeugen des Vorfalls zu
finden.
Unbekleidet betrat er
das Schlafzimmer und hätte beinahe vergessen, dass dort eine
werte Kollegin schlummerte. Obwohl noch immer leise Musik aus dem
Radiowecker dudelte, war sie nicht aufgewacht.
»Sie
schläft wie ein Murmeltier«, stellte Stefan
lächelnd fest und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Dann
beugte er sich zu Heike hinab, die auf der Seite lag. Ihr
Körper hob und senkte sich unter den gleichmäßigen
Atembewegungen. Sanft strich Stefan ihr über den Arm und
ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Heike -
aufstehen«, flüsterte er leise.
Sie schüttelte
verschlafen den Kopf. »Ich will nicht.«
»Du musst aber.
Oder soll es im Radio still werden, weil du nicht aus den Federn
kommst?«
Sie gähnte
herzhaft und räkelte sich. Dann erst blinzelte sie verschlafen
zu Stefan hoch. »Wie spät ist es?«
Er machte eine ernste
Miene. »Fast halb zwei.«
In der nächsten
Sekunde war Heike hellwach. Sie sprang im Bett auf, stieß die
Bettdecke fort und machte Anstalten, sich zu erheben. Energisch
stieß sie Stefan zur Seite und stürmte an ihm vorbei aus dem
zerwühlten Futon. »Waas?«, rief sie putzmunter.
»Warum hast du mich nicht geweckt?« Sie trat an das
hohe Fenster und blickte auf die Straße herab. »Ich
muss in die Redaktion.«
»Reg dich ab,
Heike«, beruhigte er sie lächelnd und trat hinter sie.
»Es ist kurz vor zehn.«
Sie fuhr herum und
funkelte ihn aus ihren großen, blauen Augen an. »Wie
bitte?« Energisch stemmte sie die Hände in die
Hüften.
»Kurz vor
zehn.« Stefan reckte den Arm in die Höhe und zeigte ihr
das Zifferblatt seiner Uhr.
»Du Schuft, du
kleiner, elender, mieser Schuft«, rief sie und trommelte ihm
mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung in die Magengegend.
Lachend schloss Stefan sie in seine Arme.
»Komm schon, es
gibt viel zu tun.«
Stimmt«, sagte
sie. »Du wolltest einen Ölwechsel an deinem Clemens
machen, und da bin ich als weibliches Geschöpf nur
hinderlich.«
»Der
Ölwechsel ist gestorben«, erwiderte der
Kollege.
»Warum?«
»Nun, immerhin
warst du es, die mich gestern um persönlichen Geleitschutz
gebeten hat. Wer sagt denn, dass dieser Schutz mit dem heutigen
Tage beendet ist?«
»Dass
Männer immer die Beschützer spielen müssen«,
maulte sie und löste sich aus der Umarmung. Leichten
Fußes verschwand sie in Richtung Badezimmer.
Bewusst hatte Stefan
nicht erwähnt, dass er Heike bei ihren Recherchen nach dem
Toten in der Schwebebahn unterstützen wollte. Sicherlich
hätte sie abwehrend reagiert und behauptet, alleine
klarzukommen. Und das nur, weil sie eine schrecklich ehrgeizige
Journalistin war und sie es gewesen war, die die Story angegraben
hatte. Natürlich wollte sie sie auch alleine beenden. Wie
immer. Der Morgen war aber viel zu schön, um zu streiten. Sie
würde schon früh genug bemerken, dass er sich ihrer
annahm.
Frauen konnten
unberechenbar sein.
*
In der Redaktion
herrschte die übliche Hektik. Mitarbeiter wirbelten zwischen
den Schreibtischen umher, Telefone klingelten und PC-Tastaturen
klapperten monoton, unterbrochen nur vom Stimmengewirr der
Redakteure. Seite an Seite betraten Heike und Stefan das vom
Sonnenlicht durchflutete
Großraumbüro.
»Da seid ihr ja
endlich«, ertönte eine
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