Das Schwebebahn-Komplott
schlechte Laune schlagartig in
Euphorie umgeschlagen. Er hatte Heike über die Maßen
gelobt. Jetzt stand er einfach da und blickte sie an.
»Wo ist Stefan
... ich meine, Herr Seiler?«
»Weiß der
Teufel«, murrte Eckhardt und ließ die Hände in den
Hosentaschen verschwinden. Er seufzte und beschwerte sich einmal
mehr über die Damen und Herren Redakteure, die nur noch das
machten, was sie für richtig hielten. »Ich dachte Sie
wüssten, wo er sich rumtreibt«, maulte er. »Sonst
stecken Sie beide doch auch immer unter einer
Decke.«
Als er den
zweideutigen Inhalt seiner Antwort bemerkte, glaubte Heike zu
sehen, wie er errötete.
Prompt räusperte
sich Michael Eckhardt. Ȇbrigens hatte ich heute
Vormittag einen eigenartigen Anruf«, bemerkte er leise und hockte sich
nun auf ihre Schreibtischkante. Auf Heikes Frage hin berichtete er,
was der Anrufer ihm nahegelegt hatte.
»Ich bin zu ...
neugierig?« Heike zuckte mit den Schultern. »Ist das
nicht mein Beruf, mich in Dinge einzumischen, die von Interesse
sein könnten?«
»Natürlich«,
sagte Eckhardt rasch und verschränkte die Arme. »Nur
sollten Sie in Zukunft etwas vorsichtiger sein. Scheinbar handelt
es sich bei der Bewegung 12. April um äußerst
professionell agierende Täter, die uns auf Schritt und Tritt
verfolgen.«
»Verdammte
Scheiße«, entfuhr es ihr.
»Bitte?«
Eckhardt runzelte die Stirn.
»Nichts«,
erklärte Heike errötend und presste eine Hand vor den
Mund. »Hat man etwas von einer Lösegeldübergabe
erwähnt?«
»Nein«,
murmelte Eckhardt. »Es schien fast so, als wäre dem
Anrufer ausgerechnet dieses Thema peinlich gewesen. Ich habe ihm
deutlich zu verstehen gegeben, dass fünfhunderttausend Euro
unmöglich innerhalb von wenigen Stunden aufzutreiben
sind.«
»Das ist
nachvollziehbar.« Die Reporterin massierte nachdenklich ihren
Nasenrücken und starrte auf den Monitor. »Die Zochs
wohnen übrigens in einem Haus, das Rolf Spielberg ihnen
für einen Appel und ein Ei abkaufte, als sie in finanziellen
Schwierigkeiten steckten. Interessanterweise schlug der
Schütze ausgerechnet in dem Augenblick zu, als ich Hans Zoch
auf das Haus ansprechen wollte.«
»Sie glauben,
dass Spielberg Schattenmänner beschäftigt hatte, die
jetzt seine Spielchen weitertreiben?« Der Chefredakteur der
Wupperwelle staunte nicht schlecht. »Das hieße ja, dass
er komplette Killertrupps im Rücken hätte, um seine
Geschäftsideen durchzuboxen und sich Leute gefügig zu
machen, die nicht nach seiner Pfeife tanzen
wollen.«
»Möglich.« Heike
eiste sich vom Anblick des Bildschirmschoners los und blickte zu
Eckhardt auf. »Seiler hat übrigens davon gesprochen,
dass er sich in Rolf Spielbergs Bekanntenkreis umhören
wolle.«
»Dann ist er
unmöglich zur Sendung zurück«, erwiderte Eckhardt
und fuhr sich durch das gerötete Gesicht. »Ein
Schweinepriester. Muss er ausgerechnet Sherlock Holmes spielen,
wenn er die Nachschicht moderiert?«
Heike zuckte mit den
Schultern.
»Er soll sich
verdammt noch mal nicht in die Belange der Polizei
einmischen«, wetterte der Chefredakteur und schüttelte
den Kopf. »Ich habe keine Leute und Stefan Seiler turnt in
der Gegend rum, um einen Mord aufzuklären!« Er schlug
sich mit der flachen Hand vor die Stirn, dass es klatschte.
»Der soll mal kommen!«
*
Der Dienstplan des
Senders interessierte Stefan augenblicklich nicht im Geringsten. Er
hatte andere Probleme.
Vorsichtig schlug er
die Augen auf.
Erst eins, dann
beide.
Das Blut rauschte noch
immer in seinen Ohren. Als sich der Schuss aus Spielbergs Waffe
gelöst hatte, war der Reporter instinktiv zum Boden abgetaucht
und hatte sich aus dem Gefahrenbereich gerollt. Irgendwie war er
hart auf dem Boden der Villa aufgeschlagen und hatte sich eine
Prellung oder Ähnliches zugezogen. Seine Knochen schmerzten,
seine Schulter brannte. Vorsichtig richtete er sich auf und schaute
um sich. Verdammte Lage, in der er sich
befand.
Spielberg lag rund
fünf Meter von ihm entfernt auf dem Fußboden. Bei seinem
Sturz hatte er die Pistole fallen lassen. Er benötigte sie
ohnehin nicht mehr. Der glücklose Zwillingsbruder des
steinreichen Immobilienmaklers hatte es gar nicht auf den Reporter abgesehen;
er hatte seinem eigenen Leben ein Ende gesetzt. Ein sehr
tragisches, einsames Ende, und Stefan Seiler war der letzte Mensch
gewesen, dem er sein Herz ausgeschüttet hatte. Ungläubig
hockte dieser auf dem Teppich und schüttelte den
Kopf.
Blut sickerte aus
einer
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