Das Schwebebahn-Komplott
hässlichen Wunde an Spielbergs Schläfe. Eine rote
Lache breitete sich unter dem massigen Kopf des Mannes aus. Die
Augen waren weit geöffnet und starrten leblos zur hohen Decke.
Auch der Mund stand einen Spalt breit offen, so, als hätte er
ein letztes Mal um Gnade bitten wollen.
Es bestand kein
Zweifel: Harald Spielberg war tot, hatte sich selbst umgebracht und
Stefan hatte dem Selbstmord untätig zugeschaut. Er fühlte
sich elend, hätte am liebsten gekotzt. Für ihn war alles
zu schnell gegangen. Die Ereignisse hatten sich überschlagen.
Der Reporter hatte keine Chance gehabt, Spielberg von seinem
Vorhaben abzubringen.
Mit dem Verzweifelten
hatte er einen wichtigen Zeugen verloren. Wer, wenn nicht er,
hätte bestätigen können, dass der Bruder ein
Geschäftsfreund von Klaus Gembowsky gewesen war?
Jetzt konnte Stefan
von vorne anfangen. Also blieb nur das Notizbuch in seiner
Jackentasche.
Zunächst aber
musste die Polizei informiert werden. Mit zitternden Händen
fingerte Stefan das Handy aus seiner Tasche und tippte die
Notrufnummer ein, ohne sich auch nur eine Sekunde vom Anblick der
Leiche lösen zu können.
11.
Kapitel
Das Verhör hatte
fast zwei volle Stunden in Anspruch genommen.
Zunächst hatte
man ihn mit nervenden Fragen gelöchert, was er denn im Haus
des toten Spielberg gesucht habe, wie er in die Villa gelangt und
warum er nicht einfach wieder gefahren sei, als er zunächst
niemanden angetroffen habe. Einmal hatte man ihm sogar das Wort
Einbruch an den Kopf geworfen. Das hatte er dementieren
können, auch wenn der Tatbestand nicht ganz von der Hand zu
weisen war. Von einem Mordversuch war nie die Rede gewesen,
insofern hatte es sich für ihn um eine völlig
natürliche Reportage gehandelt, für die er recherchiert
hatte. Bis auf den Toten, der nichts Besseres zu tun gehabt hatte,
als sich vor seinen Augen selbst zu richten. Der eifrige Kommissar
Norbert Ulbricht hatte Stefan laufen lassen müssen, da seine
Spurensicherungsleute rasch festgestellt hatten, dass sich auf der
von Spielberg benutzten Waffe ausschließlich dessen eigene
Fingerabdrücke befanden.
Es war wirklich zum
Haare raufen: Er hatte eine heiße Story, konnte
möglicherweise sogar Verbindungen zur Schwebebahnerpressung
ziehen und durfte im Radio nicht darüber berichten, weil man
eine Nachrichtensperre verhängt hatte.
Den Mittag hatte er im
Wuppertaler Polizeipräsidium verbracht, sich die
Anschuldigungen von Kommissar Norbert Ulbricht angehört und
dessen mehr oder minder dumme Fragen beantwortet. Jetzt endlich
befand er sich auf dem Weg in die Redaktion. »Na, die werden
Augen machen«, grummelte Stefan vor sich hin, als er das
Gebäude der Wupperwelle erreichte.
»Das war die
erste Stunde der Halbzeit, gleich geht's mit meinem Kollegen Roland
Kracht und den Nachrichten weiter. Danach hören wir uns
wieder.« Heike zog den Regler des CD-Players auf. »Und
hier kommen die Spice Girls.« Mit einem Seufzen auf den
Lippen schaltete sie das Mikro aus und nahm die Kopfhörer von
den Ohren. Als sie aufblickte, wurde die Studiotür
aufgestoßen.
Michael Eckhardt
schien nur darauf gewartet zu haben, dass das rote On
Air -Signal
über der Tür verlosch. Der Chef nickte ihr knapp zu.
»Immer noch nichts von Seiler.« Eckhardt lief wie ein
aufgescheuchtes Huhn durch das kleine Studio. »So kann ich
nicht arbeiten«, murmelte er kopfschüttelnd. »Es
muss doch möglich sein, einen erstellten Dienstplan
einzuhalten. Jeder macht hier, was er will. Er stemmte wütend
die Hände in die Hüften.
»Herr
Eckhardt«, unterbrach Heike ihn. »Seiler moderiert die
Nachtschicht. Er geht erst um Mitternacht auf Sendung. Demnach muss
er drei Stunden vor Sendebeginn in der Redaktion erscheinen.«
Demonstrativ blickte sie auf die Armbanduhr. »Es ist zwei
Uhr.«
»Ich weiß,
ich weiß«, nickte der Chef und machte einen
zerknirschten Gesichtsausdruck. »Trotzdem: Ich mache mir
Sorgen.«
Nun erst wurde er
Heike richtig sympathisch. »Ich auch«, erwiderte sie
leise, als Kracht, der untersetzte Nachrichtensprecher, das Studio
betrat. Der nickte ihnen still zu und ließ sich hinter den
Reglern nieder.
Heike und Eckhardt
verließen das Studio. Bei einem kleinen Sender wie der
Wupperwelle war es üblich, dass die Moderatoren die Technik
selbst bedienten. Den Tontechniker am Mischpult gab es nur beim
großen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das bedeutete
für die Mitarbeiter des Privatsenders zwar mehr Arbeit,
stellte aber auch eine größere
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