Das Schwebebahn-Komplott
ihnen
genähert.
»Frau
Meister«, erkannte Stefan die Pressesprecherin der
Stadtwerke. »Darf man erfahren, was vorgefallen ist?«
Er hatte sie bereits am Vormittag auf der Pressekonferenz
angetroffen. Seither waren nur wenige Stunden vergangen. In dieser
Zeit hatten sich die Ereignisse rund um das Wuppertaler Wahrzeichen
förmlich überschlagen. Entsprechend grau sah die
Pressesprecherin nun aus. Sie wirkte wie eine alte, gebrochene
Frau; sie war sichtlich nervös, als sie Stefan mit einem
unsteten Blick musterte und die Hände rang. Dann starrte sie
auf ihre rotlackierten Fingernägel und seufzte. Das Geschehen
schien ihr persönlich ziemlich nahe zu gehen. Sie war als
Idealistin bekannt, und eben dieser Idealismus machte ihr jetzt zu
schaffen. »Nun, das dürften Sie schon wissen, denn sonst
wären Sie kaum hier.« Ihr Lächeln wirkte
unecht.
»Eckhardt«, sagte
Stefan und räusperte sich, bevor er etwas verlegen grinsend
fortfuhr: »Ich meine, Herr Eckhardt sagte, dass es zu einem
Auffahrunfall gekommen sei. Unten vor der Station kursieren schon
die wildesten Gerüchte unter den Schaulustigen. Es dürfte
an der Zeit sein, den Leuten die Wahrheit zu
sagen.«
»Was wissen
Sie?«
Der Polizist wollte
wohl nicht indiskret sein und wandte sich ab. Nachdenklich zog
Stefan die Mundwinkel nach unten. Mit wenigen Sätzen
berichtete er ihr, was er von seinem Chef erfahren
hatte.
»Der
Pressesprecher der Polizei war wieder einmal schneller als wir
selber«, räumte Erika Meister mit einem ironischen
Lächeln auf den Lippen ein und bedeutete Stefan, ihr zu
folgen. Dann waren sie außer Hörweite der anderen
Personen auf dem Bahnsteig.
»Die Herren
verbindet eine gute Freundschaft«, bemerkte der Reporter mit
einem viel sagenden Lächeln.
»Ja.« Die
Meister deutete auf den Zug. Erst jetzt bemerkte Stefan die
Scherben auf dem Bahnsteig. Zwei Fensterscheiben waren
zerstört.
Erika Meister
führte ihn an die Bahn und bemerkte seine Blicke.
»In Panik warfen
die Fahrgäste die Fenster ein und retteten sich nach dem
Unfall durch die kleinen Luken«, erklärte
sie.
»Aber die
Türen«, murmelte er, »sie stehen doch offen. Warum
sind die Fahrgäste nicht einfach
ausgestiegen?«
»Durch die Wucht
des Aufpralls klemmten die Ausstiege. Von Mitarbeitern der
Werkstatt wurden die Schiebetüren per Brechstange
geöffnet. Die Leute reagierten panikartig und verletzten sich
an den Scherben der Fensterrahmen, durch die sie zunächst
geklettert waren.
»Hmm«,
machte Stefan und massierte sein Kinn.
»Wir haben
neunzehn Verletzte zu beklagen, darunter auch den Fahrer der
Unglücksbahn. Er befindet sich im
Krankenhaus.«
»Ist er schon
vernommen worden?«
»Leider nur
kurz, ja«, nickte die Meister und spielte mit ihrem Kettchen.
»Er sagte aus, dass die Bahn plötzlich beschleunigte und
sich nicht bremsen ließ. Somit deutet alles auf einen
technischen Defekt hin.«
Auf der Station
wimmelte es von Sachverständigen, auch das Fernsehteam der
WDR-Lokalzeit erkannte Stefan. Die Kollegen vom Fernsehen drehten
einen Schwenk hinüber zur Werkstatt, deren Tore man
geschlossen hatte. Dann zeigte man dem Publikum eine Totale vom
zertrümmerten Heck der Schwebebahn, um die Dramatik des
Unfalls zu dokumentieren. Wie Stefan erfreut feststellte, war sein
Lieblingskollege Axel Grimm noch nicht hier. Techniker mit
Sturzhelmen kletterten auf dem lindgrünen Gerüst der Bahn
herum und diskutierten angeregt über den Schaden, den der
Auffahrunfall verursacht hatte. Möglicherweise war sogar der
Schienenstrang beschädigt. Die Bewegung 12. April hatte ganze
Arbeit geleistet. Steckten sie wirklich hinter dem
merkwürdigen Unfall - und wenn ja, aus welchem Lager mochten
sie kommen?
Stefan beschloss, mit
Erika Meister darüber zu reden, und musste zunächst
versprechen, ihre Informationen streng vertraulich zu behandeln und
nicht im Radio zu senden. Fast ängstlich blickte sie sich zu
den Sachverständigen um, die mit den Leuten von
Staatsanwaltschaft und Kripo beschäftigt waren und sie nicht beachteten.
Erika Meister wirkte erleichtert, fast so, als habe sie in Stefan
einen Gesprächspartner gefunden, dem sie vertrauen konnte. Sie
lächelte unsicher und zuckte mit den Schultern.
»Natürlich können wir nichts auszuschließen -
mein erster Gedanke ging ebenfalls in diese Richtung«,
räumte sie mit gedämpfter Stimme ein. »Kommen
Sie.« Die Pressesprecherin zog ihn auf das begehbare
Gitterrost, welches den Bahnsteig mit dem Werkstattbereich
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