Das Schwebebahn-Komplott
der hinteren Abstellgleise und bot
einen jämmerlichen Anblick. Die Vorderfront war
eingedrückt, die Scheibe in tausend Stücke gesprungen,
und das Zugnummernschild hing an einer einzigen Schraube am
Wagenkasten fest. Der Arbeitsplatz des Fahrers war von Scherben
übersät. Kein Wunder, dass der Schwebefahrer im
Krankenhaus lag. Erst jetzt erkannte Stefan drei Männer, die
sich im Innern der Bahn zu schaffen machten. Sie blickten etwas
verwirrt auf, als die beiden sich der Bahn
näherten.
»Sind Sie nicht
vom Radio?« Ein großer Trenchcoatträger mit
dunklen, welligen Haaren trat auf sie zu und musterte Stefan mit
ernster Miene. Dieser nickte. Staatsanwalt Pesche war
unverbesserlich und dienstbeflissen. Er konnte es nicht leiden,
wenn ihm bei seiner Arbeit Journalisten über die Schulter
blickten. Jetzt färbte sich sein sehniges Gesicht puterrot.
Möglichst unauffällig wechselte er einen raschen Blick
mit der Pressesprecherin der Stadtwerke. Und bevor Stefan auf seine
Frage antworten konnte, raunzte er ihn an: »Behindern Sie die
Leute von der Spurensicherung nicht, und fassen Sie bloß
nichts an,
Mann!«
»Schon gut, ich
lasse die Finger bei mir«, murmelte Stefan etwas verwirrt und
hielt sich vertrauensvoll an Erika Meister, die ihn zur Seite
zog.
»Warum
führen Sie mich hierher?«, wiederholte er seine Frage.
Nun lächelte sie ihn an und verschränkte die Arme
vor der Brust.
»Weil Sie die Bahn nicht fotografieren können, so wie
Ihre Kollegen von der Zeitung.«
»Ist das Ihre
Strategie?«, fragte er. »Was wollen Sie der
Öffentlichkeit verheimlichen?« Nervös beobachtete
Stefan die Leute von der Kripo, die unter den Anweisungen von
Staatsanwalt Pesche ihre Arbeit fortsetzten.
»Nichts«,
behauptete die Pressesprecherin. »Allerdings hasse ich es,
überschnelle Schlüsse zu ziehen. Schon bei dem Absturz
damals wurden schlimme Fehler in der Informationspolitik gemacht.
Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, mit der Wupperwelle
an einem Strang zu ziehen. Immerhin ist Ihr Sender ebenfalls von
der Erpressung betroffen.«
»Ich bin nicht
der Chef des Senders«, erinnerte Stefan sie.
»Nein, aber
darum geht es auch nicht. Zunächst ist es wichtig, dass die
Öffentlichkeit nicht unnötig beunruhigt wird.« Ihr
Lächeln wirkte wie eine Maske. »Wir können es uns
nicht leisten, ein weiteres Waterloo zu
riskieren.«
»Sie
fürchten einen Rückgang der Fahrgastzahlen, wenn etwas
von der Erpressung durchsickert?« Eigentlich war das keine
Frage, sondern eine Feststellung. Als ihm die Bedeutung seiner
Worte klar wurde, schürzte Stefan die Lippen. Er wusste, wie
empfindlich die Betreiber der Schwebebahn reagierten, wenn man
ihnen mangelnde Sicherheit und profitorientiertes Denken
vorwarf.
»Sicherheit wird
groß geschrieben bei den Stadtwerken«, wich die Meister
aus. »Außerdem liegt es nicht in unserem Interesse,
eine Massenhysterie heraufzubeschwören.«
»Ich
verstehe«, Stefan nickte. »Und was sollen wir tun, um
die Erpresser so schnell wie möglich zu überführen?
Das ist Sache der Polizei, auch wenn ich so denke wie Sie, Frau
Meister. Wir sind nur Marionetten in einem großen
Spiel.«
Sie zuckte unbeholfen
mit den Schultern. »Pesche ermittelt gegen unbekannt.
Immerhin lautet die offizielle Version »Technischer Defekt.«
Erika Meister blies hörbar die Luft aus und zuckte mit den
Schultern. »Einerseits bin ich mir sicher, dass der Crash
nicht auf das Konto der Erpresser geht. Immerhin kam der Zug soeben
aus der Generalüberholung und sollte lediglich nach Oberbarmen
überführt werden. Es bestand keine Möglichkeit zu
einer Manipulation.«
»Es sei denn
...« Unvermittelt brach Stefan ab. Die Gedanken rasten ihm
durch den Kopf. Plötzlich keimte ein Verdacht in ihm
auf.
»Wie viele
Mitarbeiter arbeiten in der Werkstatt?«
»Sechzig. Warum
...« Erika Meister brach unvermittelt ab. »Nein«,
rief sie. »Das ist hirnrissig. Unsere Leute sind der
Schwebebahn eng verbunden und würden niemals auf den Gedanken
kommen...«
»Schon
gut«, wiegelte Stefan ab. »War ja nur so eine
Idee.«
Er hoffte, dass er
sich wirklich irrte.
*
Erika Meister war
zurückgeblieben, um den anderen Vertretern der Presse Rede und
Antwort zu stehen. Als Pressesprecherin hatte sie einen undankbaren
Job, stand ständig zwischen den Fronten, musste einerseits
aufklären, durfte andererseits nicht zu viel verraten, bevor
sämtliche Ermittlungen abgeschlossen waren.
Stefan beneidete
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