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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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der Nachbarn?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle.« Sie wollte Menschen sehen, keine leeren Räume.
    Sie überquerte die Gasse und klopfte an die Tür von Muriel Atkins, doch es öffnete niemand. Sie bat Lord Brightwell, auf sie zu warten, und ging durchs Dorf, in der Hoffnung, Miss Cresswell zu treffen.
    Sie betrat die Schule und fand die Lehrerin in ihrem Büro, wo sie Briefe beantwortete. Olivia war erleichtert, dass sie nicht in allen Schulräumen nach ihr suchen musste. Sie fühlte sich noch nicht in der Lage, ihren früheren Schülerinnen zu begegnen und ihre unangenehmen Fragen zu beantworten.
    »Olivia!«, rief Miss Cresswell bei ihrem Anblick aus. Sie erhob sich schnell und eilte um den Schreibtisch herum, um sie in die Arme zu schließen. »Meine Liebe, wie sehr es mich freut, Sie zu sehen! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, als ich diese Anfrage wegen Ihres Leumundszeugnisses erhielt, denn sonst hätte ich nie erfahren, was aus Ihnen geworden ist. Warum sind Sie so plötzlich weggegangen? Ich hatte die Befürchtung, ich hätte Sie irgendwie gekränkt.«
    »Nein, Sie haben mich noch nie gekränkt, Miss Cresswell.«
    »Sie und Ihre Mutter schienen einfach über Nacht verschwunden zu sein.«
    Olivia fühlte sich plötzlich atemlos. »Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
    »Nicht seit dem Herbst, als Sie weggingen. Ich dachte … hoffte … Sie beide wären zusammen irgendwohin gereist.«
    Olivia schüttelte den Kopf. Ihre Mutter war also aufgebrochen … oder getötet worden, kurz nachdem sie geflohen war?
    Miss Cresswells Miene wurde ernst. Sie setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und bedeutete Olivia, in dem Stuhl davor Platz zu nehmen. »Ich wollte das in meinem Brief nicht fragen, aus Furcht, Sie zu beunruhigen, falls Sie nicht davon wüssten.«
    »Stimmt es, was die Leute sagen?«, fragte Olivia. »Über das neue Grab auf dem Friedhof?«
    Miss Cresswell langte über den Schreibtisch und berührte sie am Arm. »Ach, meine Liebe, ich hatte gehofft, dass Ihnen dieses Gerücht erspart bleiben würde. Ich habe vermieden, es in meinem Brief an Sie zu erwähnen. Der Kirchenaufseher weigert sich zu verraten, wer dort begraben liegt. Ich vermute, dass Muriel etwas darüber wissen könnte, denn seit Monaten verhält sie sich äußerst merkwürdig, aber sie hat mir nichts gesagt. Sie könnten sie selbst fragen, aber sie betreut gerade eine Geburt irgendwo auf dem Land. Ich weiß nicht, wo.«
    »Wo ist mein Vater jetzt?«
    Lydia Cresswell zögerte. »Haben Sie nichts davon gehört? Es wurde ein Haftbefehl auf ihn ausgestellt.«
    Olivia schluckte. »Wegen … Mordes?«
    Ihre alte Lehrerin schaute sie argwöhnisch an. »Mord? Meine Liebe, wie kommen Sie darauf? Die genaue Anklage wurde nicht öffentlich bekannt gegeben, aber das Gerücht spricht von Unterschlagung.«
    »Unterschlagung?«
    »Das wird zumindest behauptet. Manche Leute meinen allerdings trotzdem, man würde nach ihm fahnden, weil er mit dem Verschwinden Ihrer Mutter etwas zu tun hätte, aber ich persönlich glaube das nicht.«
    »Ich verstehe das nicht.«
    »Sie wissen aber, dass Ihr Vater sich um das Heilbad gekümmert hat, das Sir Fulke in der Nähe von Cheltenham baut?«
    Olivia schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass Ihr Vater einen neuen Arbeitgeber gehabt hatte, aber nicht, dass ihm eine so große Verantwortung übertragen worden war. »Ich habe gehört, er hätte das Dorf verlassen, nachdem er … nachdem ich weg war.«
    Lydia Cresswell schürzte die Lippen. »So ging das Gerücht, aber der Haftbefehl wurde erst vor kurzem ausgestellt. Ich glaube, er hat den ganzen Winter über auf der Baustelle gelebt. Aber jetzt … nachdem er seit fast vierzehn Tagen weder dort noch hier gesehen worden ist, ist es gut möglich, dass er untergetaucht ist, um den Anklagen zu entgehen, die Sir Fulke gegen ihn vorbringen könnte.«
    Miss Cresswell verschränkte die Finger auf dem Schreibtisch. »Soweit ich es verstanden habe, hat Sir Fulke darum gebeten, dass der Grund der Anklage geheim gehalten wird, denn wenn es um veruntreute Gelder geht und seine Investoren davon hören würden, gäbe es einen furchtbaren Skandal und sie würden sich vielleicht alle aus dem Projekt zurückziehen.«
    Vater soll gestohlen haben? Warum konnte sie das nicht glauben, während sie ihn für weit schlimmere Dinge für schuldig hielt?
    Olivia kniff die Augen zu, um das wirbelnde Durcheinander in ihrem Kopf zur Ruhe zu bringen, dann

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