Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Nähe des Stalls stand, und ein schlichtes dreistöckiges Regal, das einige Jahre lang sein Schlafzimmer geziert hatte, bis es eines Tages verschwand, als er in der Schule war. Er zweifelte nicht daran, dass es zu Feuerholz geworden war.
Mr Matthews hatte Stein und Holz zum Bauen verwendet. Er hatte nach einem gezeichneten Plan oder einer Vorstellung in seinem Kopf gearbeitet. Und Edward hatte es sehr befriedigend gefunden, ihm zu helfen, vor allem in den langen Monaten, während sein Vater abwesend war.
Aber Edward war immer nur die Hilfskraft gewesen, und er besaß wenig echte Fertigkeiten, derer er sich rühmen konnte. Als junger Mann hatte er all das aufgegeben. Schreinern und Bauen hatten in Oxford keinen Platz. Architektur vielleicht, aber er hatte keine hochfliegenden Träume von Kathedralen und Palästen, die er errichten wollte. Und er konnte wohl kaum in den Handel gehen, indem er Bänke, Regale und Puppenhäuser baute. Wie würden seine angeblichen Freunde, ja sogar die Dorfbewohner und seine Pächter darüber spotten, wenn Edward Stanton Bradley sich einer so niedrigen Tätigkeit zuwenden würde!
Waren andere Männer auch so ziellos? Für seinesgleichen konnte er das bestätigen. Aber, rief er sich ins Gedächtnis, sie waren nicht länger seinesgleichen.
28
In jeder Stadt, durch die man kommt, kann man in goldenen Lettern angeschrieben sehen: »Internatsschule für junge Damen«.
Clara Reeve, 1792
Die Straßen waren rutschig, matschig und voll tiefer Spurrinnen. Olivia hielt sich am Halteriemen über dem Sitz fest und klammerte sich daran, als die Kutsche ruckelte und schwankte. Sie hatte gedacht, Lord Brightwell hätte bei der Beschreibung der Straßenverhältnisse übertrieben, um diese Reise hinauszuschieben und die unvermeidliche Enttäuschung hinauszuzögern, die Olivia seiner Meinung nach erleiden würde. Nun litt sie tatsächlich – an der Art und Weise, wie bei dieser Fahrt, die ihr wesentlich länger als die tatsächlichen fünfundzwanzig Kilometer vorkam, ihre Knochen durchgeschüttelt und ihr Magen in Aufruhr gebracht wurden. Als Talbot anhielt, um die Pferde zu tränken, ließ Johnny Ross die Stufe herunter, sodass sie und der Earl sich die Beine vertreten konnten. Olivia wich Johnnys kaltem Blick aus und registrierte betroffen, wie schlammverspritzt Kutsche und Pferde waren.
Als sie wieder unterwegs waren, betrachtete Olivia durchs Fenster die Dörfer, die sie passierten und die mit jedem Kilometer vertrauter wurden. Sie erreichten Fossebridge, Chedworth und schließlich das Randgebiet von Withington selbst, einem steingrauen Dorf am Fluss, im Oberland der Cotswolds gelegen. Je näher sie kamen, desto heftiger pochte ihr Herz, bis die Schläge wie ein ungleichmäßiger Trommelwirbel dicht aufeinander folgten. Neben ihr saß Lord Brightwell und drückte ihre behandschuhte Hand.
Schließlich kam die Kutsche zum Stehen. Johnny ließ wieder die Stufe herab, öffnete die Tür und hielt ihr die Hand hin, damit sie aussteigen konnte. Sie brauchte seine Hilfe mehr als sonst, denn ihre Beine fühlten sich plötzlich schwach und wackelig an. Sie schaute sich um und bemerkte, dass sich wenig verändert hatte. Nur an den Bäumen sprosste neues Grün, wo bei ihrer Flucht gelbe und braune Blätter zu sehen gewesen waren. Dort stand die alte Mühlenwirtschaft, deren Dach von Moos überwachsen war, und auf der anderen Seite des Flusses war die Krone und Krähe . Und dort der verschlafene, leicht geneigte Friedhof von St. Michael & All Angels.
Olivia war noch nicht bereit, sich mit dem Friedhof zu befassen und drehte sich schnell weg. Die Tür des Schusters stand ein Stück offen, um die milde Brise einzulassen. Und dort war die niedrige Steinumfassung ihres Hauses, das Gartengrundstück ihrer Mutter, ihr Haus aus hellem Stein mit der grünen Tür.
Es sah aus wie immer und gleichzeitig verändert. Verlassen. Kein Rauch stieg aus dem Kamin empor, kein heimeliges Licht schien aus den Fenstern.
Olivia folgte dem steinernen Pfad zur Tür und drückte dagegen. Sie war verschlossen, was sonst selten der Fall gewesen war. Sie legte die Hände um die Augen und spähte durchs Fenster. Innen sah es ordentlich, aber unbewohnt aus. Keine Vase mit Frühlingsboten zierte den Tisch, auf dem Herd stand kein Topf und im Kamin brannte kein Feuer. Es gab kein … Leben. Ihr sank das Herz. Vielleicht war ihre Mutter wirklich tot.
»Haben Sie einen Schlüssel?«, fragte Lord Brightwell. »Oder vielleicht einer
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