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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Hochadels, Mitglied des Parlaments und so weiter – obwohl ich nicht sagen kann, warum ich mich darauf freute. Ich vermute, einfach weil ich immer die Erwartung hatte, dass dies eines Tages mein Platz sein würde.«
    Er setzte sich anders hin. »Darf ich fragen, was Sie für Pläne hatten, bevor Sie hierher kamen? Hatten Sie wirklich die Absicht, in dieser kleinen Schule in St. Aldwyns zu unterrichten?«
    »Ich hoffte darauf.«
    »War das der Traum, von dem ich Sie abgehalten habe?«
    »Nein, Mylord. Es wäre im besten Fall ein Sprungbrett gewesen.«
    Er schaute sie erwartungsvoll an.
    »Sie werden lachen.«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    »Na gut, mein Traum war, eines Tages eine eigene Schule zu haben. Idealerweise mit meiner Mutter als Partnerin, obwohl ich immer wusste, dass mein Vater ihr das wahrscheinlich nicht erlauben würde. Und jetzt …« Sie spielte nervös mit den Händen und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Aber selbst wenn ich allein wäre, glaube ich, dass ich eines Tages eine Schule leiten könnte. Und mir wäre nichts lieber, als wenn ich ihre Türen für alle Mädchen öffnen könnte, unabhängig davon, ob sie es bezahlen könnten oder nicht.«
    Er zog einen Mundwinkel hoch. »Nur für Mädchen?«
    »Es gibt wesentlich mehr Schulen für Jungen, und wie mir jemand freundlich zu verstehen gegeben hat, ist es nicht meine Stärke, Jungen zu unterrichten.«
    »Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe.«
    »Sie hatten ganz recht. Zu dem Zeitpunkt auf jeden Fall. Aber ich glaube, jetzt macht Andrew wunderbare Fortschritte.«
    »Ich glaube, das stimmt. Ich frage mich, was wir nur ohne Sie gemacht hätten?«
    Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Sie hatte nicht die Absicht gehabt, sich selbst zu loben. »Zweifellos würde eine andere Gouvernante genauso gute Arbeit leisten, wenn nicht sogar bessere. Keine Sorge, ich halte mich nicht für unersetzlich.«
    Er blickte sie eindringlich an. »Ach, aber da gibt es einige, die Ihnen an diesem Punkt widersprechen würden.«
    Sie fragte nicht, ob er einer davon war.
    Nachdem Miss Keene das Studierzimmer verlassen hatte, nahm Edward seinen Platz am Feuer wieder ein. Er starrte auf die orange glühenden Scheite und die gelegentlich aufflackernde Flamme. Was er Miss Keene geantwortet hatte, entsprach völlig der Wahrheit. Er hatte kein großes Verlangen, etwas Bestimmtes zu tun. Ja, das Ansehen und Privileg, dem Herrenhaus vorzustehen, hätten ihm gefallen – dafür zu sorgen, dass auf dem Anwesen alles reibungslos ablief, in den Besitz zu investieren und zu erleben, wie sich umsichtige Verwaltung auszahlte. Aber selbst dann würde er in Wirklichkeit wenig tun. Ein Sekretär und vielleicht ein neuer Verwalter würden sich um die täglichen Angelegenheiten kümmern, während seine Pächter, Arbeiter und Dienstboten die eigentliche Arbeit vollbrachten.
    Es machte ihm keinen Spaß, für Menschen verantwortlich zu sein, und es setzte ihn immer unter Druck, wenn Mrs Hinkley oder Walters wegen eines Dieners oder Pächters zu ihm kamen. Es machte ihm nichts aus, sich das Problem anzuhören oder Lösungen anzubieten, aber Tränen und Ausreden waren ihm unangenehm.
    Er fand großen Gefallen an seiner neuen Rolle als Friedensrichter des Dorfes, wovon er sich gute Übung für seinen zukünftigen Dienst im Oberhaus versprochen hatte. Auch das Studium der Rechtswissenschaft in Oxford hatte ihm Freude gemacht, obwohl er als Gentleman und zukünftiger Earl nie einen Gedanken daran verschwendet hatte, einen Beruf daraus zu machen. Es war grundsätzlich kein Thema für ihn gewesen, irgendeinen Beruf zu ergreifen. Aber jetzt?
    Miss Keene hatte erzählt, dass sie schon seit ihrer Kindheit Lehrerin werden wollte wie ihre Mutter. Charles Tugwell war ein Geistlicher wie sein Vater vor ihm. War es da nicht völlig natürlich, dass auch er geplant hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten?
    Die einzige tatsächliche Arbeit, die ihm als Junge Spaß gemacht hatte, war das Bauen von Gegenständen mit Mr Matthews gewesen. Der alte Verwalter war nicht so begeistert von Haushaltsbüchern gewesen, aber er hatte problemlos ein Wagenrad oder einen Fensterrahmen reparieren können. Er hatte Edward und dem kleinen Felix oft Holzreste, krumme Nägel und einen hölzernen Hammer in die Hand gedrückt und ihnen überlassen, was sie daraus machen wollten. Das Ergebnis von Felix waren Bretter mit krummen Nägeln gewesen. Edward dagegen hatte eine Bank gebaut, die bis heute in der

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