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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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blickte sie wieder zu Miss Cresswell. »Wenn Sie Miss Atkins sehen, würden Sie ihr bitte sagen, dass sie mir schreiben soll? Ich muss alles erfahren, was meine Mutter betrifft, auch wenn es … schlechte Nachrichten sind.«
    Lydia Cresswell drückte ihre Hand. »In Ordnung, meine Liebe. Darf ich nach Ihrer Anstellung fragen? Klappt alles gut?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Und es gefällt Ihnen, Gouvernante zu sein?«
    »Ich kann nicht sagen, dass ich nicht lieber wieder an einer Schule wäre, aber es ist auf jeden Fall ein zufriedenstellender, wenn auch manchmal einsamer Posten.«
    Miss Cresswell nickte. »Ich habe leider Mrs Jennings angestellt, nachdem Sie ohne Aussicht auf eine Rückkehr weggegangen sind, aber wenn Sie eine Stelle brauchen, könnte ich –«
    »Nein, vielen Dank, Miss Cresswell. Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich bin mit meinem Platz zufrieden. Im Moment jedenfalls.« Sie erhob sich. Miss Cresswell folgte ihrem Beispiel und versprach, Olivia zu schreiben und sie auf dem Laufenden zu halten, wenn sie etwas Neues erfuhr.
    Als Nächstes besuchte Olivia den Wachtmeister, der von Beruf Eisenwarenhändler war. Wie seltsam, das Gespräch ausgerechnet mit einem der Männer zu suchen, deren Verfolgung sie vor nicht allzu langer Zeit noch gefürchtet hatte.
    Als sie den Laden betrat, schaute der große glatzköpfige Mann von den Nägeln auf, die er gerade sortierte. »Miss Keene! Ich bin froh, Sie zu sehen. Wir hatten Sorge, dass auch Ihnen etwas Schlimmes zugestoßen wäre.«
    » Auch mir, Mr Smith?«
    Er wirkte verlegen und beunruhigt und schob die farbverschmierten Hände in die Taschen.
    Olivia presste die Lippen aufeinander. »Danke, Mr Smith, mir geht es gut, wie Sie sehen. Aber ich bin auf der Suche nach meiner Mutter. Haben Sie sie gesehen?«
    Er schüttelte seinen kahlen Kopf. »Da sind Sie nicht die Einzige. Einige Leute haben seit letzten Herbst nach ihr gefragt. Unter anderem Ihr eigener Vater. Es tut mir furchtbar leid, Ihnen sagen zu müssen, dass nach ihm gefahndet wird, Miss. Wussten Sie das?«
    »Ich habe es gerade erst erfahren. Wer hat sonst noch versucht, meine Mutter zu finden?«
    »Ach, vor einiger Zeit war ein livrierter Mann da, der sich im Auftrag eines Lords, den ich nicht kannte, erkundigt hat. Ich hab ihn ordentlich abblitzen lassen. Sir Fulke hat auch nach ihr gefragt. Wie es scheint, hat Ihre Mutter für seine Frau Näharbeiten oder etwas in der Art gemacht. Er hatte einen schlimmen Sturz auf einer Treppe hinter sich. Die Ohren haben ihm immer noch geklingelt, glaube ich.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    »Tatsächlich? Ich hab den Mann noch nie gemocht. Es wundert mich, dass es Ihnen anders geht, nach allem, was er Ihnen und Ihrem Vater angetan hat.«
    »Sie meinen, dass er meinen Vater eines … eines Verbrechens anklagt?«
    »Das auch, aber – erinnern Sie sich nicht daran? Der Wettstreit damals in der Krone und Krähe zwischen Ihnen und seinem Sohn, dem Harrowschüler?«
    » Das war Sir Fulke?«
    »Oh ja. Sir Fulke Fitzpatrick. Wussten Sie das nicht?«
    Fitzpatrick … Lord Bradley hatte recht gehabt. »Wir haben den Namen des Gentleman damals nicht erfahren und ich hatte keine Veranlassung, den neuen Eigentümer von Meachams Anwesen kennenzulernen. Er kann meinen Vater nicht erkannt haben, sonst hätte er ihn nicht als Buchhalter behalten.«
    »Ach, es war sein Verwalter, der ihn behalten hat. Sir Fulke hat mit dem täglichen Ablauf der Arbeit wenig zu tun.«
    »Und sein Sohn, Herbert, ist er auch hier?«
    »Er besucht seine Mutter pünktlich jeden Monat, aber er lebt irgendwo im Norden und kümmert sich um Angelegenheiten seines Vaters.«
    Genau wie Lord Bradley es gesagt hatte.
    »Ich verstehe.« Aber Olivia verstand nichts. In ihrem Kopf herrschte ein wildes Durcheinander. Konnte es wirklich sein, dass der hochmütige Gentleman und sein Sohn, die vor über zehn Jahren auf der Durchreise in diesem Dorf gewesen waren, in die Gegend zurückgekehrt waren, Mr Meachams Anwesen gekauft hatten, auf dem ihr Vater arbeitete, und ihn weiter als Angestellten behalten hatten, ohne zu wissen, dass er der Mann war, den Sir Fulke vor seinen Bekannten gedemütigt und als Betrüger beschimpft hatte?
    Hatte ihr Vater ihn nicht erkannt? Sie mussten sich irgendwann über den Weg gelaufen sein, selbst wenn er durch den Verwalter angestellt worden war. Ein kalter Schauder kroch über Olivia hinweg. Hatte ihr Vater den Mann von Anfang an erkannt und dieses Wissen für sich

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