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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Herz, als sie es hörte, obwohl ihre Gedanken einen Moment lang verschwammen, klarer wurden und wieder durcheinander kamen.
    Er rief überhaupt nicht nach ihr selbst. Wenn er versuchte, seine Frau zu finden, musste er glauben, dass sie lebte – er hatte sie also nicht wissentlich getötet.
    »Dorothea!«
    Sollte sie zu ihm hinuntergehen? Wusste er, dass sie diejenige gewesen war, die ihn zu Boden geschlagen hatte?
    »Macht auf! Ich will meine Frau sehen!« Er sprach mit unkontrollierter, schwerer Zunge. Sie kannte diesen Ton, diese Stimmlage. Er war betrunken.
    Sie hörte das Geräusch, wie ein Gewehr gespannt wurde, und erstarrte. Das war Croome – sie wusste es sofort.
    »Sehen Sie zu, dass Sie wegkommen, Mister. Bevor ich Sie in einem Sarg auf die Reise schicke.«
    Lord Bradleys Stimme gesellte sich dazu, obwohl Olivia nicht gehört hatte, dass die Tür geöffnet wurde. »Wen suchen Sie zu dieser unchristlichen Uhrzeit, Mann?« Er war wahrscheinlich durch eine der Seitentüren ins Freie getreten und hatte vermutlich ebenfalls eine Waffe in der Hand.«
    »Das sagte ich doch schon. Dorothea. Meine Frau. Sie ist hier. Ich weiß, dass sie hier ist.«
    »Hier ist niemand, der so heißt. Bei meiner Ehre, das ist die Wahrheit.«
    »Wer sind Sie?«
    »Lord Bradley.«
    »Nein … nicht Bradley. Ich will zu Brightwell.«
    »Lord Brightwell ist mein Vater.«
    »Ihr Vater? Aber Sie sind so … erwachsen? Er muss so alt sein wie ich und das geschieht ihm recht. Sie ist zu ihm zurückgekehrt, was?« Er wurde wieder lauter. »Ich will ihr nichts Böses. Aber ich muss sie sehen, ich muss!«
    »Senken Sie Ihre Stimme, guter Mann. Ich garantiere Ihnen, dass mein Vater keine Frau hier hat. Er ist in Trauer um seine eigene Frau, die erst vor kurzem verschieden ist.«
    »Er ist Witwer? Wie gut es das Schicksal mit ihnen meint! Dann gibt es also keine Hoffnung mehr für mich. Ich habe sie verloren. Ganz und gar verloren.«
    Wie geschlagen er klang. Wie verloren. Olivia verhärtete ihr Herz. Aus ihm spricht die Reue. Und die Schuld. Und vielleicht die Angst vor den Folgen. Ich darf es nicht vergessen – ich habe gesehen, wie seine Hände um ihren Hals lagen.
    Aber sie konnte diese Gedanken mit dem gebrochenen Mann, den sie dort unten hörte, nicht völlig in Einklang bringen.
    Olivia warf sich ihren Umhang über das Nachthemd und rannte die Treppen hinunter, fest entschlossen, mit ihm zu reden, ein Geständnis oder eine Erklärung von ihm zu erzwingen, denn sie wusste, dass sie in Gegenwart von Mr Croome und Lord Bradley vor ihm sicher war.
    Als sie die Eingangshalle erreichte, traf sie dort auf Hodges und Osborn, die hinter der Tür kauerten und sich fest dagegen stemmten.
    Mrs Hinkley zog den Vorhang von einem der Fenster beiseite. »Er ist weg.«
    Alle stießen einen gemeinsamen Seufzer der Erleichterung aus.
    Selbst Olivia. Er hätte ihr keine vertrauenswürdigen Antworten gegeben, überlegte sie, so betrunken, wie er war. Wie hätte er womöglich darauf reagiert, sie hier zu finden, im Haus seines Feindes, wenn seine Gefühle so außer Kontrolle waren? Denn offensichtlich wusste er von der Beziehung, die ihre Mutter mit Lord Brightwell gehabt hatte, auch wenn sie weit in der Vergangenheit lag.

     
    Obwohl es noch nicht ihr freier Halbtag war, überließ Olivia die Kinder der Aufsicht von Becky und Miss Peale, zog ihre Haube an und eilte die Fahrspur entlang sowie über die Straße zum Armenhaus. Sie war immer noch erschüttert, weil ihr Vater mitten in der Nacht aufgetaucht war, und hoffte, ein Gespräch mit dem besonnenen Mr Tugwell oder der fröhlichen Eliza Ludlow würde sie beruhigen. Als sie ins Haus trat und ihre Haube aufhängte, sah sie keine Spur von Miss Ludlow.
    Ihre eigene Kopfbedeckung war das einzige Stück weiblicher Bekleidung an dem Haken in der Nähe der Tür. Die Tür zum Salon stand offen, und da sie Mr Tugwells Stimme von dort hörte, ging sie auf den Raum zu, um ihn zu begrüßen. Sie trat über die Schwelle und blieb wie versteinert stehen.
    Charles Tugwell war in ein ernsthaftes Gespräch mit Simon Keene vertieft, der zusammengesunken in einem Sessel saß, den Kopf gebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Sie war verblüfft, ihn hier zu sehen. Es war so ein Zusammenprall zwischen ihrer alten und neuen Welt … dass sie einen Moment lang sprachlos dastand.
    Mr Tugwell bemerkte sie als Erster und erhob sich. »Miss Keene.«
    Ruckartig hob ihr Vater den Kopf. »Livie!« Sein Haar, dunkel wie ihres,

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