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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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seine Geschichte. Ihre Gedanken gingen wild durcheinander, und sie versuchte vergeblich, den neuen Blickwinkel mit ihren eigenen Erinnerungen in Übereinstimmung zu bringen.
    Simon rieb sich über das stoppelige Gesicht. »Das brachte mein Blut zum Kochen – und verletzte mich tief, das muss ich gestehen. Der Gedanke, dass sie sich immer noch nach ihm verzehrte, machte mir schwer zu schaffen. Dass sie sich immer noch wünschte, sie hätte sich nicht an einen wie mich gebunden.«
    Hatte das hinter seinen finsteren Stimmungen und Wutausbrüchen gesteckt und ihn dazu getrieben, so viel zu trinken?
    »Bestimmt weißt du, dass das nicht der Grund ist, warum sie dich verlassen hat«, sagte Olivia. »Ich habe sie nie von einem anderen Mann sprechen hören oder etwas gesehen, was die Vermutung weckte –«
    »Wie solltest du auch?«, unterbrach er sie. »Du warst doch den ganzen Tag in der Schule. Deine Mutter war allein zu Hause, das dachten wir jedenfalls. Sind dir nie zwei Gläser auf der Anrichte aufgefallen oder Zigarrengeruch im Haus?«
    »Mutter würde nie …« Olivia stockte. Hatte sie Zigarrenrauch gerochen? Sie konnte sich nicht sicher sein. Olivia hatte tatsächlich den größten Teil des Tages und manchmal auch den Abend in Miss Cresswells Schule verbracht. Aber nach all den Jahren anzunehmen, Lord Brightwell wäre ein Besucher ihrer Mutter gewesen? Lächerlich! »Wenn jemand im Haus gewesen ist, war es bestimmt nur eine Freundin, die vorbeischaute«, erklärte sie. »Oder jemand, der Näharbeiten abholte … oder –«
    »Und warum sagte sie mir dann nicht, wer da gewesen war? Warum verhielt sie sich so nervös und geheimnisvoll? Je mehr sie mich belog, desto wütender wurde ich, bis ich das Gefühl hatte, explodieren zu müssen.«
    War er durchgedreht? Hatte seine irrationale Eifersucht am Ende zu dieser Gewalttat geführt?
    Die Kaminuhr schlug die Stunde und niemand sprach, während die Glocke läutete und dann verklang.
    Die Tür zum Salon, die die ganze Zeit nicht richtig geschlossen gewesen war, öffnete sich ein weiteres Stück und Lord Brightwell tauchte dahinter auf. Olivia wurde bewusst, dass er von seinem Blickwinkel aus nur sie und vielleicht noch Mr Tugwell sehen konnte.
    »Olivia, ein Puppenspieler ist auf dem Marktplatz angekommen und ich dachte, die Kinder würden vielleicht gern –« Er schob die Tür weiter auf und sein Blick erfasste den gesamten Raum. »Oh, entschuldigen Sie bitte, ich wusste nicht …«
    Olivia geriet in Panik. Diese beiden Männer zusammen in einem Raum? Was für ein ungünstiges Zusammentreffen! »Lord Brightwell, ich …«
    Simon Keene wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und stand auf. »Wenn man vom Teufel spricht. Sie sind Oliver, ja?«
    Mr Tugwell legte beruhigend eine Hand auf den Arm ihres Vaters und beschwor ihn leise und eindringlich: »Ruhig Blut!«
    Olivia räusperte sich und hatte Schwierigkeiten, in dieser angespannten Atmosphäre Luft zu bekommen. »Genau genommen ist das Lord Brightwell. Und das ist Simon Keene, mein …« Olivia schluckte, und bevor sie weitersprechen konnte, trat der Earl mit schützender Gebärde neben sie.
    Simon Keene sah zwischen ihnen hin und her und schüttelte langsam den Kopf. »Ich verstehe.« Er schüttelte die Hand des Pfarrers ab und sah dem Earl direkt ins Gesicht. »Ich werde Sie etwas fragen, Sir, von Mann zu Mann: Wissen Sie, wo Dorothea ist?«
    Lord Brightwell starrte kalt zurück. »Und ich werde wahrheitsgemäß antworten, dass ich es nicht weiß. Aber selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen.«
    Olivia zuckte zusammen und erwartete, ihr Vater würde in Wut geraten, durchs Zimmer stürmen und den Earl schlagen … oder würgen.
    Aber alles Kämpferische schien Simon Keene verlassen zu haben. »Ich verstehe. Gut.« Er nahm seinen Hut und drehte ihn in den Händen. »Ich werde mich verabschieden. Es tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe.«
    Mr Tugwell berührte ihn erneut am Arm. »Mr Keene, warten Sie. Sie sind nicht in der richtigen Verfassung, um sich auf den Weg zu machen. Sie sind willkommen, hierzubleiben, solange Sie wollen.«
    Der Pfarrer warf dem Earl einen Blick zu, als wolle er seine Reaktion abschätzen, aber Lord Brightwell schaute Olivia an. Er bot ihr seinen Arm und zusammen schritten sie aus dem Armenhaus und ließen die beiden Männer an Ort und Stelle zurück. Tugwell sprach sanft auf seinen Gast ein. Olivia vermutete, dass Simon Keene noch nie in seinem Leben auf einen

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