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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Vater.«
    Edward war erstaunt, dass Lord Brightwell seinen Bruder erwähnte, mit dem er lange zerstritten gewesen war.
    »Du liebe Güte, heute sind wir aber alle barmherzig, nicht wahr?«, merkte Felix an. »Sogar mein Vater, der hier im Haus seiner Kindheit nie lobend erwähnt wird, war offensichtlich intelligenter, als ich es bin.«
    »Dein Vater war wirklich schlau«, erwiderte Lord Brightwell. »Aber es geht hier nicht um Intelligenz. Du hast einen wunderbar funktionierenden Verstand, mein Junge, dir fehlt nur … äh …«
    »Disziplin«, schlug Edward vor.
    »Ehrgeiz«, ergänzte Judith.
    In bitterem Ton sagte Felix: »Na, danke schön, ich danke euch allen sehr herzlich.«
    »Wie schlecht steht es?«, erkundigte sich Lord Brightwell und verzog das Gesicht in negativer Erwartung.
    Eine Hand am Kaminsims, den Kopf gebeugt, starrte Felix ins Feuer. »Es wird nicht nur keine Ehren geben, sondern ich stehe kurz davor, durchzufallen.«
    Lord Brightwell schnappte nach Luft. »Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Ich fürchte, es ist die Wahrheit, Onkel. Ich bin in Oxford gescheitert. Ich sehe keinen Sinn darin, für den Rest des Semesters zurückzugehen und noch mehr von deinem Geld zu verschwenden.«
    Edward runzelte die Stirn. »Du wirst nicht aufgeben, Felix.«
    Felix starrte ihn durchdringend an. »Warum nicht? Kannst du es nicht ertragen, die Ehre der Bradleys befleckt zu sehen?«
    »Was ist mit deiner Ehre?«, gab Edward zurück. »Man legt nichts aus der Hand, was man einmal angefangen hat. Jetzt geh zurück nach Balliol, besteh die Prüfung und mach deinen Abschluss.«
    »Zu welchem Zweck? Ich hab dir bereits gesagt, dass ich für die Kirche und das Rechtswesen nicht tauge.«
    Edward spürte, wie Judith ihn musterte und genauso gespannt auf seine Antwort wartete wie ihr Bruder.
    »Du hast eine strahlende Zukunft vor dir, Felix«, sagte er ausweichend. »Ich kann dir nicht sagen, was geschehen wird oder welche Form sie annehmen wird, aber ich möchte, dass du darauf vorbereitet bist, dich der Herausforderung zu stellen, wenn sie vor dir steht.«
    Bruder und Schwester starrten ihn noch immer mit gekräuselter Stirn an. Lord Brightwell machte der unsicheren Spannung ein Ende, indem er Felix auf den Rücken klopfte. »Komm schon, mein Junge. Du schaffst das. Wir stehen alle hinter dir.«

37
     
Wenn du dich selbst in Brand steckst, werden die Menschen gern kommen und zusehen, wie du brennst.
John Wesley
     
    Am nächsten Morgen spielte Olivia mit den Kindern Verstecken. Der graue Nebel hob sich langsam und man hörte das heisere Krächzen der Raben.
    Während Audrey sich die Augen bedeckte und zählte, trat Olivia hinter die Schreinerwerkstatt. Sie war überrascht, dass Andrew ihr nicht gefolgt war und sich in ihrer Nähe versteckt hatte, wie er es sonst meist tat. Vielleicht hatte er Johnny oder Lord Bradley gesehen und war davongelaufen, um sich zu einem von ihnen zu gesellen.
    Mit viel Getöse durchsuchte Audrey den Garten und die Laube und rannte dann über den Rasen in ihre Richtung. Lächelnd zog sich Olivia hinter die Wand der Werkstatt zurück.
    »Ich habe Sie gefunden, Miss. Ich habe Sie gefunden!«, verkündete Audrey fröhlich.
    Olivia strich dem Mädchen eine Locke aus der Stirn. »Ja, du hast mich gefunden, du kluges Mädchen.« Unerwartete Tränen brannten in ihren Augen, als sie unwillkürlich an ihren Vater denken musste. »Mein kluges Mädchen« , hatte er sie in glücklicheren Zeiten immer genannt.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie so schnell gefunden habe, wenn Sie deshalb traurig sind«, sagte Audrey betroffen.
    »Nein, ich freue mich, dass du mich gefunden hast. Sollen wir jetzt gemeinsam nach Andrew suchen?«
    Audrey schaute sich um. »Ist er nicht bei Ihnen?«
    »Dieses Mal nicht.«
    In diesem Moment hörte Olivia es: Jemand bellte »Feuer!« und der schrille Schrei einer Frau wiederholte die Warnung: »Feuer! Feuer im Stall!« Olivia vermutete, dass es die Wäschemagd war, die in der Nähe des Stalls arbeitete.
    Plötzlich schrak Olivia zusammen. Im Stall ? Das viele Heu und Stroh. Die armen Pferde! Ein furchtbarer Gedanke bohrte sich glühender Pfeil in ihre Brust. Guter Gott, nein …
    »Andrew!«, schrie sie und rannte von panischem Schrecken gepackt über den Rasen. Audrey folgte ihr und rief laut nach ihrem Bruder.
    Als sie den Stall erreichte, wandte sie sich an den Kutscher, der gehetzt allein versuchte, die Pferde vor der Gefahr zu retten.
    »Mr Talbot! Haben Sie Andrew gesehen?

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