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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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prüfend in ihr Gesicht. »Was ist los, Olivia?«
    Sie streckte die Hände aus und klammerte sich so heftig an Lord Brightwells Arme, wie ihre eigenen von Talbot festgehalten wurden. »Ich konnte Andrew nicht finden. Edward ist hineingegangen, um sicherzustellen …«
    »Ich habe ihn davor gewarnt, Mylord«, sagte Talbot.
    Sie verdrehte den Hals und fragte den Kutscher: »Haben Sie die Kammer untersucht? Die verborgene Tür zwischen der Sattelkammer und dem Sattelständer?«
    »Dort gibt es keine Kammer.«
    »Doch!«
    Rumpelnd und krachend fiel das Dach wie eine Dominobahn von rechts nach links in sich zusammen.
    »Edward!« Lord Brightwell machte einen Satz nach vorn und entwand sich Olivias Händen wie aus dem Griff eines Kindes.
    Durch den schwarzen Rauch hindurch tauchte eine Gestalt auf, schwarz vor schwarzem Hintergrund, wie ein Geist. Ein Balken fiel herunter und traf die dunkle Person und Olivia schrie auf.
    Lord Bradley, ein Bündel in seinen Armen, wankte zur Seite und fiel auf die Knie, direkt vor den schweren Trümmern. Olivia riss sich aus der Umklammerung des fassungslosen Talbot los und rannte dem Earl hinterher. Sie überholte ihn und erreichte Edward zuerst. Sie zog den kleinen, in die Jacke gewickelten Körper aus seinen Armen, und befreit von seiner Last fiel er nach vorn. Sein Vater konnte Edward gerade noch rechtzeitig packen und seinen Fall abdämpfen. Croome tauchte mit aschfahlem Gesicht neben dem Earl auf. Jeder von ihnen griff nach einem Arm und gemeinsam schleiften sie Lord Bradley aus den Flammen.
    In relativer Sicherheit, Andrew in den Armen, beobachtete Olivia aus einigen Metern Entfernung, was geschah. Ihr Herz pochte wild, und aus so vielen Gründen, dass sie nicht alle hätte aufzählen können, füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen.

     
    An diesem Abend saßen Lord Brightwell und Judith Howe sehr majestätisch auf den Lehnstühlen in der Bibliothek. Olivia stand vor ihnen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf gebeugt – wie eine Verbrecherin, die ihr Urteil erwartete. Sie empfand, dass sie diese Rolle – und Schlimmeres – verdient hatte.
    Audrey stand hinter dem Stuhl ihrer Stiefmutter, die Augen rot gerändert. Olivia wünschte sich, dass das kleine Mädchen bei ihrer Entlassung nicht anwesend sein müsste.
    Olivia zwang sich, den Kopf zu heben. »Es tut mir sehr leid, Mrs Howe, Lord Brightwell. Ich hätte Andrew niemals erlauben soll, allein wegzulaufen.«
    Judith Howe spielte mit der Spitzendecke auf der Lehne ihres Armstuhls. Sie sah Olivia an und erklärte in kaltem Ton: »Ich muss sagen, Miss Keene, ich bin furchtbar enttäuscht von Ihnen.«
    »Es war nicht ihre Schuld, Mama«, mischte sich Audrey ein. »Wir haben nur Verstecken gespielt. Miss Keene konnte nicht wissen, dass ein Feuer ausbrechen würde.«
    »Wie schnell du bereit bist, deine Gouvernante zu verteidigen, Audrey«, erwiderte Mrs Howe. »Du darfst jetzt den Raum verlassen.«
    Olivias liebe Schülerin warf ihr einen entschuldigenden Blick zu und eilte aus der Bibliothek.
    Als sich die Tür hinter Audrey geschlossen hatte, fragte Mrs Howe: »Haben Sie die Angewohnheit, die Kinder frei auf dem Anwesen herumlaufen zu lassen, ohne Aufsicht?«
    »Nein, Madam.«
    »Sogar dieses Dienstmädchen im Kinderzimmer, das selbst kaum mehr als ein Kind ist, weiß es besser. Wenn Andrew etwas zugestoßen wäre …«
    »Ich weiß, ich weiß.« Olivia kniff unglücklich die Augen zu. »Ich hätte mir das nie verzeihen können.«
    »Und man würde Ihnen auch nie wieder Kinder anvertrauen, wenn es nach mir ginge.« Ein neuer Gedanke fiel ihrer Herrin ein. »Und warum waren Sie statt des Dienstmädchens mit den Kindern draußen?«
    Olivia schluckte. »Becky hat so viel andere Arbeit und ich spiele gern mit den Kindern.«
    »Es klingt aber nicht so, als wären Sie überhaupt bei ihnen gewesen, sondern irgendwo auf eigene Faust unterwegs.« Sie sah zu ihrem Onkel. »Haben Sie sich vielleicht mit einem Liebhaber getroffen?«
    »Nein, Madam. Nichts der-«
    »Judith, bitte«, sagte Lord Brightwell tadelnd. »Solche Beschuldigungen sind weder fair noch angebracht.«
    Mrs Howe warf ihm einen scharfen Blick zu. »Bist du ebenfalls so schnell bereit, sie zu verteidigen?«
    Der Earl schlug einen gemäßigten Ton an. »Natürlich bin ich das. Miss Keene ergänzt unseren Haushalt auf wunderbare Weise. Ich bin sicher, dass sie den Vorfall bedauert und dafür sorgen wird, dass nichts Derartiges mehr passiert.«
    Judith Howe

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