Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
Vom Netzwerk:
Hals. Ob dies das Werk von Dr. Sutton oder Mrs Hinkley war, wusste Edward nicht und es interessierte ihn auch nicht. Sie trug dasselbe hellblaue Kleid, das weder zu einem Flittchen noch zu einer Dame passte. Ein Kratzer verunstaltete eine Wange. Ihr Gesicht war immer noch bleich, aber nicht mehr so aschfarben wie am Abend zuvor. Ihr dunkles Haar war ordentlich an ihrem Hinterkopf hochgesteckt. Sie betrachtete ihn ruhig mit ihren leuchtend blauen, von schwarzen Wimpern umrahmten Augen. Sie faltete die Hände, öffnete sie wieder und streckte dann einen Arm aus und bedeutete ihm, Platz zu nehmen, ganz so, als empfange sie Gäste in ihrem eigenen Wohnzimmer.
    Er blieb stehen. »Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden, Mrs Hinkley?«
    Die matronenhafte Haushälterin zögerte und presste die Lippen missbilligend aufeinander, verließ jedoch den Raum.
    Als sie weg war, sagte er zielstrebig: »Jetzt, wo es Ihnen wieder etwas besser geht, muss ich Ihnen einige Fragen stellen.«
    Olivia stutzte kurz und nickte dann zustimmend.
    »Ist Ihre Sprachfähigkeit zurückgekehrt?«
    Wieder zauderte sie und öffnete die zarten Lippen. Ein gebrochenes Krächzen kam aus ihrer Kehle und ihre Augen füllten sich sofort mit Tränen. Vorsichtig berührte sie ihren umwickelten Hals und schüttelte mit bedauerndem Gesichtsausdruck den Kopf.
    Wie praktisch , dachte er alles andere als barmherzig. »Nun gut, dann werde ich Fragen stellen und Sie werden zur Antwort nicken oder den Kopf schütteln.«
    Sie nickte.
    Er holte tief Luft. »War es gestern Abend Ihre Absicht, uns zu bespitzeln?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Was hätte sie auch sonst antworten sollen? »Sie haben gehört, was mein Vater und ich auf der Veranda miteinander gesprochen haben?«
    Beschämt liefen ihre blassen Wangen rot an. Sie schaute auf ihre gefalteten Hände herab, bevor sie nickte.
    Sein Herz hämmerte. »Sie haben … alles gehört?«
    Ohne seinem Blick zu begegnen, nickte sie erneut.
    Entsetzen schnürte ihm den Magen zusammen. Ich bin ruiniert . »Waren Sie im Auftrag eines anderen hier?« Er begann, vor ihr auf und ab zu gehen. »Hat Sie jemand geschickt?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf.
    »Sebastians Anwalt? Admiral Harrington?« Er beugte sich vor und starrte ihr unerbittlich in die Augen. Sie sollte es nicht wagen, ihm ins Gesicht zu lügen.
    Als er sah, wie sie vor ihm zurückschrak, entfernte er sich ein paar Schritte und versuchte, sich unter Kontrolle zu bekommen. Nie zuvor war er so hart mit jemand umgegangen.
    »Woher kommen … ich meine, leben Sie in der Nähe … oder?« Entnervt fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Das ist doch zum aus der Haut fahren!«
    Sie imitierte den Akt des Schreibens.
    »Sie können schreiben?«
    Sie nickte und besaß die Frechheit, über seine zweifelnde Rückfrage die Augen zu verdrehen.
    Er bediente sich am schmalen Schreibtisch im Salon der Haushälterin, holte ein Blatt Papier, eine Feder und ein Tintenfass. Er legte alles auf den niedrigen Tisch vor dem Sofa und wartete, während sie das Tintenfass öffnete und die Feder in die Hand nahm. Sie schaute zu ihm hoch, erwartungsvoll wie ein Schulmädchen, das auf die Anweisungen des Lehrers lauscht.
    Er fragte: »Wie heißen Sie?«
    Sie tunkte die Feder ein, zögerte jedoch. Sie biss sich auf die Lippe und schrieb dann Miss Olivia Keene .
    Misstrauen erfüllte ihn. »Ist das Ihr wirklicher Name?«
    Ohne ihn anzusehen, nickte sie lediglich.
    »Und woher kommen Sie, Miss Olivia Keene?«
    Wieder zauderte sie einen Moment. Aus der Nähe von Cheltenham.
    Sie blieb absichtlich ungenau. Aber warum? Er kannte Cheltenham; ein Schulkamerad war vor kurzem in die Gegend zurückgezogen, aber er hatte dort keine Feinde. Spielte das eine Rolle?
    »Wie alt sind Sie?«, wollte er wissen.
    Sie schrieb: 24 .
    Genauso alt wie er. Das überraschte ihn. Sie wirkte jünger.
    »Was hat Sie in unseren Bezirk geführt?«
    Ich bin gekommen, um eine Anstellung zu suchen.
    »Das hat auch unser guter Pfarrer gesagt. Ein frommer Mann. Er glaubt immer das Beste von den Menschen. Manchmal muss er das büßen. Warum sind Sie nach Brightwell Court gekommen?«
    Wieder dieses unerträgliche Zögern, als sie offenbar überlegte, welche Antwort am besten wirken würde. Sie schrieb: Miss Ludlow erwähnte die Gesellschaft. Ich wollte nur einen kurzen Blick darauf werfen.
    »Und Gespräche belauschen?«
    Sie schüttelte den Kopf. Das war ein Fehler. Ich bedaure es.
    »Das sollten Sie auch«, murmelte er.

Weitere Kostenlose Bücher