Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
»War Ihnen Brightwell ein Begriff, bevor die hilfreiche Miss Ludlow es erwähnte?«
Sie nickte – verlegen, wie es ihm schien.
»Wo hatten Sie davon gehört?«
Sie griff nach einem gefalteten Taschentuch, das neben ihr auf dem Sofa lag und zog einen vergilbten Zeitungsausschnitt daraus hervor. Sie reichte ihm den Zettel.
Skeptisch las er die alten Buchstaben und brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, um was es ging. Was um alles in der Welt? »Woher haben Sie das?«
Sie schrieb: Ich fand es in Mamas Börse.
»Tatsächlich? Wie außerordentlich. Und warum sollte Mama es in ihrer Börse haben?«
Ich weiß es nicht.
»Lügen Sie mich nicht an.«
Sie schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln.
»Und Sie wollen mir einreden, Sie wären mit keinem anderen Motiv hierhergekommen? Wenn Sie die Namen Brightwell und Bradley in Ihrem Besitz hatten?«
Ich hatte keine anderen Motive, Mylord.
Nun war es an ihm zu zögern. Es überraschte ihn, dass Sie ihn so anredete. Er wunderte sich über ihre zierliche Schrift, aber er sprach dieses Kompliment nicht aus. Was sollte er nur mit ihr machen, selbst wenn sie abgesehen vom Lauschen unschuldig war? Sie gehen lassen? Ihr das Versprechen abnehmen zu schweigen? Sie bestechen?
Sie beugte sich über das Papier und schrieb wieder. Während sie das tat, lösten sich einige Haarsträhnen aus ihrer Frisur und fielen nach vorne. Als sie wieder aufschaute und die dunklen Locken ihr bleiches Gesicht umrahmten, erkannte er sie auf einen Schlag als das Mädchen, das die Jagd gestört hatte. Er war bereit gewesen, ihr zu glauben – dass sie ohne Hintergedanken auf seinen Besitz gestolpert war. Aber jetzt … Erst unterbrach sie die Jagd und erschien dann genau vor seiner Tür? Mit den Namen Brightwell und Bradley im Gepäck? Das konnte kein Zufall sein. Er schaute von ihrem Gesicht zu den letzten Worten, die sie geschrieben hatte – Worte, die seinen Stolz verletzten.
Sie haben nichts von mir zu befürchten.
»Ich sollte mich vor Ihnen fürchten? Sie werden feststellen, Miss Keene, dass Sie weit besser daran täten, mich zu fürchten. Als amtierender Friedensrichter habe ich es in der Hand, Sie einsperren zu lassen oder Schlimmeres. Haben Sie mich verstanden?«
Sie nickte, aber sie wirkte nicht so eingeschüchtert, wie es ihm lieb gewesen wäre.
Als die Haushälterin anklopfte und zögernd in ihren eigenen Salon trat, richtete Edward sich auf und erklärte: »Mrs Hinkley, gut, dass Sie kommen. Es scheint, Miss Keene hätte nichts lieber als eine Anstellung auf Probe in Brightwell Court. Drei Monate. Ist es nicht so, Miss Keene?«
Wieder dieses lästige Zaudern. Dachte die Kleine, er würde ihr eine Wahl lassen? Er starrte sie ärgerlich an, während eine Unzahl von Gedanken wortlos hinter diesen hellblauen Augen vorbeizogen. Was würde er nicht alles geben, sie lesen zu können!
Schließlich nickte sie. Beinahe demütig, dachte er.
»Wofür taugt sie?«, wollte die Haushälterin wissen, die offensichtlich Zweifel an dieser Idee hatte.
»Um Nachttöpfe zu leeren?«, schlug Edward vor. »Oder Wäsche zu schrubben?« Ihm gefiel der Gedanke, Miss Keene in die Wäscherei zu stecken. Sie würde ihre Zeit im Waschhaus verbringen, hätte wenig Kontakt mit den anderen Dienern und überhaupt keinen zur Familie.
Miss Keene sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an.
»Schauen Sie doch auf ihre Hände, Mylord. Sie hat noch nie eine Wäscherei betreten, das steht fest.«
»Nun gut, aber es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen, nicht wahr?«
Mrs Hinkley tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Nachdem Miss Dowdle weg ist und Becky immer noch mit diesem Knöchel herum humpelt, ist das Kinderzimmer unterbesetzt. Wir könnten ein zweites Kindermädchen gebrauchen. Eines der Hausmädchen hat ab und zu ausgeholfen, aber nicht mit viel Geschick.«
»Und was sind die Aufgaben eines zweiten Kindermädchens, Mrs Hinkley?« Obwohl seine Frage der Haushälterin galt, blieb sein Blick unverwandt auf Miss Keene gerichtet.
»Na ja, sie badet die Kinder und zieht sie an. Trägt das Tablett mit Frühstück und Abendessen nach oben und kümmert sich um die älteren Kinder. Miss Peale ist natürlich hauptsächlich mit dem Kleinkind beschäftigt.«
Der Gedanke, Miss Keene dem Kinderzimmer zuzuordnen, war ebenfalls attraktiv. Sie wäre hoch im obersten Stockwerk, würde getrennt von allen Bediensteten essen und schlafen, ausgenommen einem Dienstmädchen und der alten Miss Peale, die sein eigenes
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