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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Kindermädchen gewesen und ihm treu ergeben war. Und was wäre mit Judith? Sie besuchte das Kinderzimmer seltener, als er es insgeheim angebracht fand, aber wenn sie es tat, würde sie die Dienerschaft ganz sicher nicht zu vertraulichen Mitteilungen ermutigen.
    Konnte er Miss Keene die Kinder anvertrauen? Er ging davon aus. Er würde ein Wörtchen mit Miss Peale sprechen und sie bitten, einen wachsamen Blick auf das neue Mädchen zu haben.
    Sollte sie im Zuge ihrer Pflichten mit einem anderen Diener oder Familienmitglied zusammentreffen, würde sie wahrscheinlich nicht um Papier und Feder bitten, oder? Ja, das Kinderzimmer schien ein ausgezeichneter Plan zu sein.
    »Zweites Kindermädchen, das soll sie werden, Mrs Hinkley.« Er wandte sich der jungen Frau zu. »Sie werden das Gelände nicht verlassen, es sei denn, Sie haben meine Einwilligung. Und ohne mein Einverständnis werden Sie auch keine Briefe verschicken. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt?«
    Sie öffnete ihren Mund, als wolle sie eine Antwort geben – oder widersprechen –, schloss ihn jedoch wieder und nickte.
    Bis ihre Stimme zurückkehrte, sollte er also weitgehend in Sicherheit sein. Zumindest, bis er herausfand, ob er diesem geheimnisvollen, stillen Neuankömmling trauen konnte.

6
     
Eine junge englische Person wünscht, eine Anstellung als Kindermädchen, Zofe oder Lehrerin an einer Schule zu erhalten. Keine Abneigung gegen Reisen.
Anzeige in der TIMES, 1853
     
    Als Lord Bradley sie mit seinem scharfen, eisblauen Blick durchbohrt und verkündet hatte, sie wünsche eine Probeanstellung in Brightwell Court – »Ist es nicht so, Miss Keene?« –, hatte Olivia durchaus verstanden, dass dies ein Befehl und keine Frage war. Trotzdem hatte sie gezögert.
    Einesteils versetzte sie der Gedanke, hier zu bleiben, in Angst und Schrecken. Sie hatte sich noch nicht weit genug von Withington entfernt. Und sie hatte es nicht wie geplant geschafft, St. Aldwyns zu erreichen; ihre Mutter würde sie in Brightwell Court niemals finden. Auf der anderen Seite brauchte sie tatsächlich eine Anstellung und hatte nur sehr geringe Hoffnungen, an einer unbekannten Mädchenschule angenommen zu werden. Sie hatte nur noch wenige Münzen in ihrer Börse und kein Leumundszeugnis. Deshalb konnte sie es sich nicht leisten, eine Anstellung und Unterkunft abzulehnen. Davon abgesehen hatte er ihr nicht wirklich eine Wahl gelassen.
    Sobald es für sie möglich war, würde sie eine Nachricht an die Schule schicken und die Inhaberin bitten, ihre Mutter wissen zu lassen, wo sie war. Was hatte sie gesagt? »Ich werde zu dir kommen, wenn ich kann. Wenn es sicher ist.«
    Aber war Olivia hier denn in Sicherheit? Sie hatte einen großen Teil des Gesprächs zwischen Lord Bradley und seinem Vater gehört und konnte sich den Rest zusammenreimen. Brachte sie dieses Wissen in nicht noch größere Gefahr als vorher?
    Mrs Hinkley gönnte Olivia noch ein paar Stunden Ruhe und nahm ihr dann den Halswickel ab. Sie stattete Olivia mit einer langen weißen Schürze aus, die sie über ihrem Kleid tragen konnte – dem einzigen Kleid, das sie besaß.
    Nur der Lakai und der Kutscher trugen eine Livree, erklärte die Haushälterin. Die weiblichen Bediensteten hatten einfache Kleider und schlichte Schürzen an.
    Ohne Umschweife hob Mrs Hinkley Olivias ausgefransten Rocksaum an, warf einen Blick auf die dünnen, befleckten Slipper und sagte: »Sie werden neue Halbstiefel kaufen müssen, wenn Sie Ihren ersten Lohn bekommen. Acht Guineas jährlich, die Auszahlung ist vierteljährlich.«
    Acht Guineas? Das war in der Tat eine geringfügige Summe.
    »Sie werden Ihr eigenes kleines Zimmer neben dem Kinderzimmer haben, sobald Doris ihre Sachen herausräumt.«
    Olivia nickte und versuchte, sich alles zu merken. Die Tatsache, dass der junge Herr Kinder hatte, überraschte sie. War er dieser Lord Bradley aus der Vermählungsanzeige, die ihre Mutter aufgehoben hatte?
    »Kommen Sie mit. Ich werde Ihnen helfen, sich zurechtzufinden, und Sie mit Miss Peale bekannt machen.«
    Olivia folgte Mrs Hinkley aus ihrem Salon, als die Haushälterin innehielt. »Auf der linken Seite sind der Vorratsraum und das Anrichtezimmer des Butlers, der die Speise- und Frühstückszimmer dort vor uns versorgt. Unter uns sind die Unterkünfte der männlichen Bediensteten, die Küche und der Aufenthaltsraum der Dienerschaft. Diese werden Sie ein andermal zu sehen bekommen.«
    Mrs Hinkley wandte sich nach rechts und schritt in die

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